IM INTERVIEW: ROBERT SUBBARAMAN, NOMURA

Lockere Geldpolitik im Westen erhöht "Gefahr der Blasenbildung"

Chefvolkswirt für Asien warnt vor gestiegenen Risiken in der Region - Chinas Wachstumsmodell "gelangt an sein Ende"

Lockere Geldpolitik im Westen erhöht "Gefahr der Blasenbildung"

In Asien hat sich das Konjunkturklima abgekühlt. Das hat Ängste vor einem Wachstumseinbruch aufkommen lassen. Robert Subbaraman, der Asien-Chefökonom des japanischen Finanzhauses Nomura, äußert sich zur Nachhaltigkeit des asiatischen Wirtschaftsbooms, über die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und steigende politische Risiken in der Region.- Herr Subbaraman, beobachten wir in den aufstrebenden Schwellenländern das Platzen einer Blase oder einfach nur einen zyklischen Konjunkturabschwung?Die Volkswirtschaften der Region stehen dank günstiger demografischer Strukturen, einer breiter werdenden Mittelschicht sowie der fortschreitenden Urbanisierung auf stabilen Fundamenten. Positiv wirken sich auch der wachsende innerasiatische Handel sowie die steigenden interregionalen Investitionen aus. Weil die Staatsfinanzen im Lot sind, drängt sich auch keine wachstumshemmende Austeritätspolitik auf.- Wo sehen Sie Gefahrenzonen?Die Region durchläuft heute die kritischste Periode seit der 15 Jahre zurückliegenden asiatischen Finanzkrise. Die wachsende Verschuldung der Haushalte und Unternehmen muss im Auge behalten werden. In Korea und Australien expandieren die Privatkredite deutlich schneller als die Wirtschaft. Auch zeigen die Immobilienmärkte der Region Zeichen der Überhitzung. Sollte es zu einer starken Preiskorrektur nach unten kommen, könnte man angesichts der Kollateralschäden vom Platzen einer Blase sprechen. Auch sind in Indien die Reformen ins Stocken geraten. Trotz all dem wäre es übertrieben, vom Ende des asiatischen Wirtschaftswunders zu sprechen.- Konnte sich die Region mittlerweile von den Wachstumszyklen Europas und der USA abkoppeln?Ich störe mich am Ausdruck “abkoppeln”. Er zeichnet zu sehr ein Bild von Schwarz und Weiß. Es trifft zu, dass die asiatischen Binnenmärkte in den vergangenen Jahren markant an Bedeutung gewonnen haben. Damit ist die Abhängigkeit von Europa und den USA heute weniger groß geworden, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Das ist auch ein Grund dafür, dass in den vergangenen Monaten der Konsum in der Region trotz des deutlich abgeschwächten Exportwachstums stabil geblieben ist. Auf der anderen Seite ist Asien inzwischen weit enger in die globalen Finanzmärkte integriert, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Das wiederum setzt die Region neuen Risiken aus. Ein globaler Schock, so wie wir ihn 2008 erlebt haben, würde Asien wiederum hart treffen.- Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage in China ein?Das von Investitionen und Exporten getriebene Wachstumsmodell gelangt an sein Ende. Es ist dabei nicht sicher, ob China auch unter veränderten Bedingungen nachhaltig expandieren kann. Nomura schätzt die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung vor Ende 2014 mit 1 von 3 ein. Der Umbau der Wirtschaft hat aber begonnen und dabei sind auch ermutigende Fortschritte gemacht worden, wie der robuste Privatkonsum zeigt.- In Peking steht ab diesem Herbst ein Wechsel in der obersten politischen Führung an. Wie wird sich das auf das Investitionsklima auswirken?Die abtretende Politikergeneration hat sehr großen Einfluss. Damit kann sie Reformprojekte auch mit Leichtigkeit durchpauken. Die kühnen Liberalisierungsschritte des Finanzmarktes, wie wir sie in den vergangenen Monaten sehen konnten, haben das gezeigt. Von der neuen Mannschaft ist Ähnliches in einer ersten Phase wohl kaum zu erwarten. Die neue Führungsgruppe muss zuerst einen Konsensus finden. Das Reformtempo dürfte sich damit vorerst verlangsamen.- Die EZB hat mit dem geplanten Aufkauf von Staatsanleihen eine weitere Runde der quantitativen Lockerung eingeleitet und die amerikanische Notenbank dürfte bald folgen. Was bedeutet das für Asien?Kurzfristig wird das auch nach Asien überschwappende Kapital den Märkten Auftrieb geben und damit das Vertrauen der Investoren stärken. Es ist aber fraglich, ob ein starker externer Kapitalzufluss mittel- und langfristig gut für die Volkswirtschaften ist. Der Aufwertungsdruck auf die Währungen wird zunehmen. Die Exportindustrie verliert damit an Wettbewerbsfähigkeit. Die große Liquidität schränkt vor allem auch den Handlungsspielraum der Zentralbanken ein. Um ihre Volkswirtschaften nicht noch attraktiver für spekulative Gelder zu machen, müssen sie die Zinsen tief halten. Die Gefahr der Blasenbildung an den Aktien- und Immobilienmärkten nimmt damit zu.- Wie sieht die Lage in Europa aus asiatischer Sicht aus?Angesichts der vielen beteiligten Interessengruppen ist in Europa der Findungsprozess für einen politischen Kompromiss langwierig. Während der Sommermonate lief kaum etwas. Jetzt allerdings wird wieder intensiver an der Lösung der Krise in der Eurozone gearbeitet. Doch ist angesichts der budgetären Sachzwänge wie auch der nicht auszuschließenden wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen nicht mit einer baldigen kräftigen Erholung der Realwirtschaften zu rechnen. Dasselbe trifft auch auf die USA zu. Asien muss sich selbst mit einem geringen Wachstum zufriedengeben.- Welche Impulse kann der Rest Asiens von Japan erwarten?Die japanische Volkswirtschaft schrumpft. Mittlerweile gehen aber weniger als 10 % der asiatischen Exporte nach Japan. Das rasant wachsende China ist für Länder wie Indonesien, Korea oder Malaysia mittlerweile ein weit wichtigerer Exportmarkt geworden. Doch bleibt Japan trotz der großen Verschuldung der öffentlichen Hand ein reiches Land, in dem es für langfristig orientiertes Kapital nur begrenzte Anlagemöglichkeiten gibt. Davon profitieren die jungen asiatischen Wachstumsmärkte. Japanische Portfolio- wie auch Direktinvestitionen gewinnen asienweit an Bedeutung.- Indiens Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten enttäuscht. Denken Sie, dass wir bald schon wieder ein Wachstum von 8 % oder 9 % sehen werden?Nein. Wegen der innenpolitischen Blockade ist das wirtschaftliche Reformprogramm zum Stillstand gekommen. Die Investitionstätigkeit ist mittlerweile rückläufig. Dabei hat das Pro-Kopf-Einkommen mit 1 500 Dollar heute ein Niveau erreicht, auf dem der Privatkonsum zu einem wichtigen Wachstumsmotor geworden ist. Der Trend ist nur dann nachhaltig, wenn die Kapazitäten erweitert werden. Wenn das nicht eintritt, gibt es Versorgungsengpässe. Das treibt die Teuerung. Auch werden die Importe steigen. Das daraus resultierende Handelsbilanzdefizit könnte schlussendlich zu einer Zahlungsbilanzkrise führen.- Zwischen asiatischen Staaten gibt es eine ganze Reihe territorialer Streitereien. Ist das eine Gefahr für die wirtschaftliche Stabilität der Region?Asien hat weiterhin enormes Entwicklungspotenzial. Das kann aber nur realisiert werden, wenn historische Animositäten in den Hintergrund treten und die wirtschaftliche Zusammenarbeit vorangetrieben wird. Die politischen Entscheidungsträger scheinen dies verstanden zu haben.—– Das Interview führte Ernst Herb.