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Londons Suche nach seinem Platz in Europa

Rechtsnationale Kritiker setzen Cameron unter Druck

Londons Suche nach seinem Platz in Europa

Von Peter Rásonyi, LondonWas war das für ein Triumph für Premierminister David Cameron, als er im Januar 2013 seine große Rede zu Europa gehalten hatte! Seine zahlreichen Kritiker in der eigenen Partei jubelten ihm im Parlament frenetisch zu. Die ewig rebellierenden Euro-Skeptiker blieben einmal brav und stumm. Cameron hatte sie mit seiner Ankündigung, 2017 eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft des Landes in der EU abhalten zu wollen, zwar nicht zufriedengestellt – von vielen wird eine sofortige Abstimmung gefordert -, aber er hat einen Kompromiss angeboten. Das verschaffte ihm etwas Ruhe.Ein knappes Jahr später ist eher die Rede von der Ruhe vor dem Sturm. Der Premierminister hat aus der Schonzeit, die er mit seinem Versprechen gewonnen hat, nicht viel Nutzen gezogen. Denn seine Strategie, die britischen Beziehungen zu Europa auf eine neue Basis zu stellen und die EU nach britischen Wünschen zu reformieren, hat keinerlei nennenswerte Fortschritte gezeitigt.Im Gegenteil, Cameron hat im Jahresverlauf Rückschläge einstecken müssen. Von der erhoffen Koalition mit Deutschland und weiteren nordischen Ländern für liberale Reformen in Europa war bisher kaum etwas zu sehen. Mit der im September eingereichten Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Bonussteuer hat sich Cameron kaum zusätzliche Freunde in Europa gemacht. Dasselbe gilt für die zuletzt von ihm und der konservativen Innenministerin Theresa May vorgebrachte Forderung, künftig die Personenfreizügigkeit in der EU einzuschränken, um Sozialtourismus zu verhindern. Der Vorschlag wurde in Brüssel sofort scharf zurückgewiesen. Arbeitskommissar Laszlo Andor warnte Großbritannien davor, “das hässliche Land Europas zu werden”.Auch innenpolitisch kommt Cameron nicht voran. Die laufende Evaluation der EU-Beziehungen durch das Außenministerium, die Politikbereiche identifizieren soll, in denen eine Rückführung rechtlicher Kompetenzen von Brüssel nach London vorteilhaft wäre, hat bisher wenig Substanzielles ergeben. Das Außenministerium kam im Juli in Teilberichten gar zu dem Schluss, die EU-Beziehungen seien recht ausgewogen, angemessen und vorteilhaft und stärkten das Wachstum. Finanzbranche kämpftIm November schließlich bliesen die führenden Wirtschaftsverbände zur Offensive. Der Arbeitgeberverband CBI hielt in einem Bericht zu den EU-Beziehungen klipp und klar fest: “Die Wirtschaft wünscht, dass das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union verbleibt.” Die Mitgliedschaft sorge für 4 bis 5 % des Bruttoinlandsprodukts. Noch deutlicher spricht sich die Finanzbranche aus. Gemäß der Lobbyvereinigung City UK wollen 84 % der Mitglieder in der EU bleiben. Denn obwohl die City neue EU-Regulierungen stetig bekämpft, will sie der führende Finanzplatz Europas bleiben. Protestpartei erhält ZulaufCameron räumte auf der Jahrestagung des CBI ein, auch er wolle in Europa bleiben, das sich aber zu diesem Zweck reformieren müsse. Genau diese wenig aussichtsreiche Doppelstrategie fördert das Misstrauen bei den Euro-Skeptikern. Unter den Tory-Hinterbänklern rumort es wieder hörbar. Die United Kingdom Independence Party (Ukip) feiert kräftige Zuläufe bei Mitgliedern und Sympathisanten, die Camerons Versprechen keinen Glauben schenken. Im vergangenen Mai hat die Protestpartei bei Lokalwahlen ein Rekordergebnis erzielt. Bei den Europawahlen im kommenden Mai wird ihr gar die höchste Stimmenzahl aller Parteien zugetraut. Großbritanniens Zukunft in Europa bleibt höchst umstritten. Das stärkste Argument für Brüssel, um die Briten in der EU zu halten, wird eine reibungslose wirtschaftliche Zusammenarbeit sein.