Mini-Inflation nährt Deflationsangst

Teuerung in der Eurozone fällt auf 0,3 Prozent - Fünf-Jahres-Tief - Druck auf die EZB nimmt weiter zu

Mini-Inflation nährt Deflationsangst

Die erneut gesunkene Teuerung im Euroraum hat die Sorgen vor einer Deflation im Währungsraum drastisch verstärkt. Der Handlungsdruck auf die EZB ist damit im Vorfeld der Zinssitzung am Donnerstag gewachsen. Marktakteure verlangen nun ein stärkeres Signal der Notenbanker und fordern die Ankündigung eines europäischen Quantitative-Easing-Programms (QE).lz Frankfurt – Wie das EU-Statistikamt Eurostat in einer ersten Schätzung meldet, stiegen die Preise im Währungsraum im September nur noch um 0,3 % – so wenig wie seit knapp fünf Jahren nicht mehr. Im August lag der Wert noch bei 0,4 %. Der Sicherheitsabstand zur Nulllinie wird immer geringer und dürfte für Sorgenfalten bei den Euro-Notenbankern sorgen, weil eine Deflation den Konsum und Investitionen lähmen und den ohnehin stotternden Konjunkturmotor abwürgen könnte. Am Donnerstag will EZB-Chef Mario Draghi auf der auswärtigen Ratssitzung in Neapel Details nennen, wie die Zentralbank die Wirtschaft anzukurbeln gedenkt.Dass die Notenbanker die Annäherung an die Nulllinie diesmal besonders intensiv diskutieren, liegt auch an den tektonischen Veränderungen im Preisgefüge. Diesmal waren nicht nur fallende Nahrungsmittel- und Energiepreise für die niedrige Teuerung verantwortlich, sondern auch eine zurückgehende Kerninflation. Diese Rate, welche die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Nahrungs- und Genussmittel ausschließt, fiel von 0,9 % auf 0,7 %.Die Sorgen vor einer Deflation schießen auch deswegen so ins Kraut, weil sich die europäische Konjunktur derzeit erneut abschwächt. Zugleich aber hat sich der Außenwert des Euro verringert, was mittelfristig eher wieder preistreibende Tendenzen entfalten wird.Wegen dieser Unwägbarkeiten warnen vor allem viele deutsche Ökonomen die EZB vor Aktionismus. Christoph Weil von der Commerzbank spricht von einem nur “zyklischen Tiefpunkt” der Inflation. Und Stefan Bielmeier, der Chefvolkswirt der DZ Bank, sieht positive strukturelle Kräfte walten. Die Gefahr einer Deflation sei “eigentlich nicht gegeben”, die schwache Preisentwicklung vielmehr ein Zeichen des Anpassungsvorgangs im Währungsgebiet nach der Krise.Jennifer McKeown von Capital Economics spricht dagegen von einer “ernsten Gefahr” und verlangt den Einsatz stärkerer Geschütze von der EZB. Um einen für die Wirtschaft schädlichen Preisverfall zu verhindern, hatte die EZB ihren Leitzins im September bereits auf ein Rekordtief gesenkt. Zudem pumpt sie Milliarden an billigem Geld in das Bankensystem. Bei der ersten Tranche des neuen Programms, das an die Kreditvergabe gekoppelt ist, musste die EZB aber eine Enttäuschung hinnehmen. Die Banken fragten nur Kreditlinien im Volumen von 82,5 Mrd. Euro nach.Nun will die EZB den Banken ab Oktober in großem Stil Pfandbriefe und Kreditverbriefungen, sogenannte Asset Backed Securities (ABS), abkaufen. Doch auch der Markt für diese Papiere scheint zu eng für das Vorhaben. Zudem: Während Pfandbriefe als weitgehend solide Anlage gelten, packt die EZB mit den Kreditverbriefungen ein heißes Eisen an: Diese Papiere galten in den USA wegen ihrer mangelnden Transparenz als ein Auslöser der Finanzkrise von 2007/08. Noch ist unklar, wieweit die EZB bei den ABS-Käufen ins Risiko gehen will. In diesem Zusammenhang wird der Ruf nach Staatsgarantien immer lauter.Bundesbank und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sehen die Käufe ohnehin skeptisch. Der CDU-Politiker befürchtet, dass die EZB als künftige Bankenaufseherin in einen Interessenkonflikt geraten könnte, falls Geldpolitik und Regulierung nicht strikt getrennt würden. Immer mehr Ökonomen gehen deshalb davon aus, dass die EZB womöglich in einer der nächsten Sitzungen gar nicht umhinkommt, ein noch großvolumigeres Paket anzukündigen. Christoph Weil von der Commerzbank: “Am Ende dürfte die EZB in großem Umfang Staatsanleihen kaufen.”