Mit KI zu neuem Wirtschaftsverständnis
Mit KI zu neuem Wirtschaftsverständnis
Mit KI zu neuem Wirtschaftsverständnis
Granulares Bild der Ökonomie liefert Notenbank Impulse – Datenverarbeitung in Echtzeit
mpi Frankfurt
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermöglicht es Volkswirten ein viel granulareres Bild der ökonomischen Lage zu zeichnen. Wie das funktionieren kann und welche Implikationen sich daraus für eine Notenbank ergeben können, hat Alvaro Ortiz skizziert, Head of Big Data & AI Economic Analysis bei BBVA Research. „Der Einsatz von Machine Learning und generativer KI kann dabei helfen, die Vorausschau zu verbessern“, sagte er auf einer Konferenz bei der Bundesbank in Frankfurt.
So könnten etwa große Datensätze analysiert werden, um zu untersuchen, wie sich das Lebensalter auf das Konsumverhalten auswirkt. Wenig überraschend geben ältere Menschen beispielsweise überproportional viel für Gesundheitsprodukte aus. Doch auch bei anderen Produktgruppen gibt es einen Zusammenhang zwischen Alter und Konsumverhalten. Diese Muster mithilfe von KI zu ermitteln, könne Notenbanken in einer alternden Gesellschaft neue Implikationen für die Geldpolitik liefern.
Höhere Prognosegenauigkeit dank KI
Bundesbankpräsident Joachim Nagel betonte auf der Konferenz ebenfalls die Chancen, die KI einer Notenbank in der Analyse bietet. Die Auswertung großer Datensätze könne etwa dabei helfen, bislang „übersehene Muster“ zu erkennen. Zudem könnte die Technologie die Prognosegenauigkeit verbessern.
„Beispielsweise kann maschinelles Lernen dazu beitragen, Inflationsdruck, Veränderungen auf den Arbeitsmärkten oder strukturelle Brüche in der Wirtschaft schneller zu antizipieren, als dies mit herkömmlichen Modellen möglich ist“, sagte Nagel.
Datenverarbeitung in Echtzeit
KI erlaubt des Weiteren die Analyse von Daten in Echtzeit, betonte Ortiz. Wie weit das theoretisch gehen kann, hat Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank (HCOB), in einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung dargelegt. Ein KI-Agent könnte alle täglich anfallenden ökonomischen Daten in Echtzeit verarbeiten und in Reaktion darauf sogar die Geldpolitik jeden Tag marginal anpassen. „Zinsen würden in einem solchen Szenario nicht mehr in Schritten von 0,25 Prozentpunkten und dessen Vielfaches, sondern von 0,01 Prozentpunkten und Multiplen davon angepasst werden.“
Ein solcher radikaler Paradigmenwechsel erscheint unwahrscheinlich. Nagel betonte auf der Konferenz, dass KI die Arbeit der Mitarbeiter der Notenbank unterstützen und nicht das Personal ersetzen soll.
Wie sich Künstliche Intelligenz allgemein auf den Arbeitsmarkt und auf die Produktivität auswirken wird, darüber gehen die Einschätzungen und Prognosen bei Volkswirten weit auseinander.
Auswirkungen auf Arbeitsmarkt
Besonders drastisch fällt bezogen auf den US-Arbeitsmarkt die Prognose des McKinsey Global Institutes aus. Innerhalb von nur fünf Jahren könnten KI und Roboter 40% der Jobs übernehmen, die bislang von Menschen ausgeübt werden. Jonathan Hartley von der Stanford University präsentierte auf der Konferenz in Frankfurt versöhnlichere Daten.
Bei Umfragen habe eine Mehrheit der US-Angestellten angegeben, KI liefere keine besseren Resultate als sie selbst. Die Technik helfe vor allem dabei, Tätigkeiten zu beschleunigen. „Das deutet eher auf eine Komplettierung durch KI hin als auf eine Substitution“, sagte Hartley. Insgesamt befinde sich die KI aber auch in den USA noch in ihrer Anfangsphase. Die künftigen Effekte auf den Arbeitsmarkt und die Produktivität seien daher nur schwer abschätzbar.
Filiz Unsal, stellvertretende Direktorin der Abteilung Politik und Forschung in der Wirtschaftsabteilung der OECD, wies darauf hin, dass es seit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz noch keine schwere Wirtschaftskrise gegeben hat. In solchen Phasen offenbare sich, wie viel die Unternehmen aufgrund von wirtschaftlichem Druck tatsächlich mithilfe von neuer Technik automatisieren.
Wie stark sich KI auf die Wirtschaft, die Finanzstabilität und auch auf die Vermögensverteilung auswirken wird, kann niemand exakt vorhersagen. Klar ist jedoch, Notenbanken müssen die Technologie nicht nur bei ihren Arbeitsprozessen wie dem Erstellen von Prognosen berücksichtigen. Sondern auch in den Prognosen selbst. Das Verständnis der KI-Effekte auf Volkswirtschaften „ist für Zentralbanken von entscheidender Bedeutung, da sie die mittelfristigen Wirtschaftsaussichten, den Strukturwandel und die Transmission der Geldpolitik betreffen“, sagte Nagel.
