Verbriefungsregeln - Vorarbeiten auf Hochtouren

In Brüssel, Berlin und Paris laufen Vorarbeiten für eine Novelle der EU-Verbriefungsregeln. Ganz grundsätzlich herrscht Einvernehmen, aber im Detail steckt wie so oft der Teufel.

Verbriefungsregeln - Vorarbeiten auf Hochtouren

Ein Thema hat derzeit in der europäischen Debatte über die Finanzmarktregulierung Hochkonjunktur, nämlich die Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts in Europa. Die Politik hat Verbriefungen als Brücke zwischen Banken- und Kapitalmarktfinanzierung wiederentdeckt – sowohl als Instrument zur Entlastung der Bankbilanzen als auch als Instrument des Risikomanagements von Unternehmen, beispielsweise beim Leasing.

In Brüssel wird übereinstimmend erwartet, dass Anpassungen am Regelwerk für Verbriefungen zu den allerersten Gesetzgebungsinitiativen der nächsten EU-Kommission zählen werden, die sich im Laufe des zweiten Halbjahrs 2024 formieren wird. Vor diesem Hintergrund gilt ein legislativer Vorschlag der EU-Kommission im nächsten Jahr – wahrscheinlich zwischen Frühjahr und Spätsommer – als ausgemachte Sache. Kein Zufall, dass der frühere italienische Premierminister Enrico Letta vor wenigen Tagen in seinem vielbeachteten Bericht zur Zukunft des Binnenmarkts eine „Revision des Verbriefungsrahmens“ fordert – und zwar im Jahr 2025.

Aufs Tempo drücken auch die nationalen Regierungen. Die Finanzminister der 20 Euro-Mitgliedstaaten haben beim Eurogruppen-Treffen im März die Europäische Kommission aufgefordert, „alle Angebots- und Nachfragefaktoren, die die Entwicklung des Verbriefungsmarktes in der EU behindern, umfassend zu bewerten.“ Und die Minister sind dabei sogar konkreter geworden: „Diese Bewertung sollte sich unter anderem auf die Angemessenheit unseres Instrumentariums erstrecken, einschließlich der aufsichtsrechtlichen Behandlung von Verbriefungen für Banken und Versicherungsunternehmen sowie der Anforderungen an die Berichterstattung und die Sorgfaltspflicht.“ Diese beiden Punkte – sowohl die Eigenkapitalvorgaben als auch die Due-Diligence-Anforderungen – sind genau die regulatorischen Stellschrauben, an denen nach Ansicht von Investoren und Banken geschraubt werden sollte (siehe FOKUS 2). Die Regierungschefs der Euro-Länder haben bei ihrem „Euro-Gipfel“ Ende März noch einen draufgesetzt: In der Schlusserklärung betonen sie, dass sie „entschlossen sind, die Vertiefung unserer Kapitalmarktunion unverzüglich zu beschleunigen.“

Intensive Vorbereitungen

Und in der Tat bleiben diese Aufforderungen nicht ungehört. „In der EU-Kommission laufen mittlerweile intensive Vorarbeiten“, berichtet ein Europaabgeordneter. Zugleich legen auch einzelne nationale Regierungen nach. In wenigen Tagen wird in Frankreich eine Expertengruppe mit Vertretern aus Politik und Finanzwirtschaft unter Regie des früheren Notenbankchefs Christian Noyer einen Bericht vorlegen, der Vorschläge für Maßnahmen unterbreitet. Bereits durchgesickert ist, dass sich die „Groupe Noyer“ für Eigenkapital-Erleichterungen für Banken und Versicherer stark macht. Gerade die Idee einer Absenkung von Kapitalanforderungen an große Versicherer, die nach internen Risikomodellen kalibrieren, dürfte allerdings auf Vorbehalte und Gegenwehr von Aufsichtsbehörden in Europa treffen. Hinzu kommt ein rechtstechnisches Problem, denn es ist strittig, inwieweit Anpassungen am Aufsichtsregelwerk der Versicherer, Solvency II, tatsächliche Erleichterungen schaffen können.

Ein Element des Noyer-Berichts dürften auch Staatsgarantien für Verbriefungen sein – so wie sie bereits in Rechtsrahmen für gebündelte faule Kredite (Non Performing Loans) in einigen Staaten von Euroland wie Italien oder Griechenland eine Rolle spielen. Auch an dieser Stelle ist Widerstand programmiert. Die Bundesregierung hat signalisiert, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner in Zusammenhang mit der Wiederbelebung des Verbreifungsmarkts nichts von Staatsgarantien hält.

In Deutschland wiederum denken Politik und Finanzbranche nicht nur darüber nach, was sie an Vorschlägen anderer auszusetzen haben, sondern sie entwickeln auch eigene Vorschläge. Derzeit findet ein enger Austausch statt, heißt es aus dem Umfeld von Banken. Im Juni wird dann damit gerechnet, dass die Bundesregierung ihre mit der Finanzindustrie diskutierten Vorschläge öffentlich vorträgt. Beide Impulse – die Group Noyer ebenso wie die deutschen Überlegungen – werden wiederum in Brüssel aufmerksam beobachtet werden und in die Vorarbeiten für einen Gesetzesvorschlag einfließen.

Abweichung von Basel?

Welche Elemente werden dabei eine Rolle spielen, und mit welchen Kontroversen ist zu rechnen? Die EU-Kommission hat in den Schlussverhandlungen zum Bankenpaket im vergangenen Jahr bereits einmal Vorschläge zu den Eigenkapitalanforderungen für Verbriefungen gemacht. Damals fand sich im EU-Parlament und im Rat nicht ausreichend Unterstützung. Diese Pläne liegen seither in der Schublade, sie dürften nun – da sich die allgemeine Stimmung gewandelt hat und die Forderungen nach Maßnahmen zur Revitalisierung des Verbriefungsmarkts lauter geworden sind – wieder hervorgeholt werden. Dabei stellt sich jedoch eine Kernfrage: Ist die EU bereit, sich durch Änderungen an CRD, CRR oder Solvency II von den internationalen Baseler Vereinbarungen zu entfernen? Bislang gab es dagegen viele Widerstände. Auf der anderen Seite würde es viel zu lange dauern, wenn die EU darauf warten würde, bis der Baseler Accord das nächste Mal angepasst wird – das könnte mehr als ein Jahrzehnt dauern.

Bei der Frage der Vereinfachung der Reporting- und Due-Diligence-Pflichten stellt sich derweil die Frage, ob diese Erleichterungen von der EU-Aufsichtsbehörde ESMA auf level zwei in Form technischer Standards und delegierter Rechtsakte umgesetzt werden – oder im Zuge des im nächsten Jahr erwarteten Vorschlags für eine Novelle der Verbriefungs-Verordnung – und damit auf level eins. Vieles spricht für die letztgenannte Option. Auch hier wären Vorbehalte nicht überraschend, etwa seitens der Europäischen Zentralbank.

Generell wird es für die EU-Kommission herausfordernd sein, einerseits dem Wunsch nach einer schnellen Vorlage zu entsprechen – und andererseits der Vorgabe seitens mehrere nationaler Regierungen, insbesondere in diesem Fall detaillierte Impact Assessments vorzunehmen. Schließlich geht es bei Verbriefungen um ein Instrument, das seit der Finanzkrise vielerorts in schlechtem Ruf stand.