ANSICHTSSACHE

Nicht in die Schublade mit Panama

Börsen-Zeitung, 5.8.2016 Als Kleinstaat hat man es nicht leicht. Viele Menschen wissen oft gar nicht, wo Liechtenstein liegt, verwechseln es manchmal mit Luxemburg und halten uns für eine einzige große Briefkastenfirma. Dass aber 40 % des...

Nicht in die Schublade mit Panama

Als Kleinstaat hat man es nicht leicht. Viele Menschen wissen oft gar nicht, wo Liechtenstein liegt, verwechseln es manchmal mit Luxemburg und halten uns für eine einzige große Briefkastenfirma. Dass aber 40 % des Bruttoinlandsproduktes auf die Industrie entfallen und nur rund ein Viertel aus dem Finanzbereich stammt, wissen die wenigsten. Liechtensteinische Unternehmen haben in Deutschland mehr Direktinvestitionen getätigt und damit mehr Arbeitsplätze geschaffen als Polen, Ungarn und die Tschechische Republik zusammen. Keine Steueroase mehrNoch weniger wissen auch unsere direkten Nachbarn darüber, wofür heute der Finanzplatz Liechtenstein steht. Wenn, wie vor einigen Monaten geschehen, die Veröffentlichung der Panama Papers für Aufsehen sorgt, wird Liechtenstein neben vielen anderen kleinen Finanzplätzen wieder in eine Schublade gesteckt, in die es absolut nicht hineingehört. Was am Ende bleibt von vielen Terabyte an Daten aus den Panama Papers, die nun unsortiert auch im Netz kursieren, wird sich zeigen und ist Sache der Finanzbehörden und Fahnder. Aufgeflammt ist aber wieder eine Diskussion über Steueroasen in aller Welt, die trockenzulegen und Schlupflöcher, die zu stopfen sind. Diese Diskussion ist hilfreich und trennt die Spreu vom Weizen. Liechtenstein war früher mal das, was heute international gerne als “Steueroase” bezeichnet wird. Das aber ist längst vorbei, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Nicht erst seit Veröffentlichung der Panama Papers ist klar: Geld auf anonymen Konten zu verstecken – das kann für einen modernen Finanzplatz kein Geschäftsmodell sein.Als Kleinstaat mitten in Europa lautet unsere Devise seit vielen Jahren: Kooperieren, Informationen austauschen und bei Reformen vorn mit dabei sein. Wer sich da jetzt noch verweigert, hat als Finanzplatz keine Chance mehr. Der Druck der internationalen Staatengemeinschaft und der Öffentlichkeit ist zu groß. Die liechtensteinische Finanzplatzstrategie beruht darum auf einer konsequenten Einhaltung und Umsetzung internationaler Standards.Dies gilt vor allem im Bereich der Steuerkooperation. Liechtenstein wird ab 2017 automatisch Informationen austauschen. Seit dem 1. Januar 2016 sind die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen in Liechtenstein in Kraft. Die Enthüllungen der Panama Papers zeigen aber auch, dass globale Standards auch global umgesetzt werden müssen, was Liechtenstein seit Jahren fordert.Neben Transparenz und Klarheit in der Anwendung internationaler Gepflogenheiten muss ein moderner Finanzplatz aber vor allem auf das reagieren, was Anleger heute bewegt. Brexit, Flüchtlingskrise, hohe Staatsschulden und Niedrigzinsen sorgen für Verunsicherung. Es zeigt sich ein gestiegenes Bedürfnis nach Stabilität und Sicherheit, die unser Finanzplatz bietet.Keine Bank in Liechtenstein musste in der Finanzkrise 2008/2009 vom Staat aufgefangen werden. Wir verfügen über die höchste Bonität, haben ein Triple-A-Rating. Liechtenstein ist finanziell und politisch absolut unabhängig und dennoch als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in das internationale Wirtschaftssystem eingebunden. Der Staat ist klein – was für den Finanzplatz aber auch ein großer Vorteil ist. Nirgendwo sonst sitzen Fachleute aus allen Disziplinen der Finanzdienstleistungen so nah zusammen und können sich um die Themen der Kunden direkt kümmern. Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter, Treuhänder, Fondsverwalter, Rechtsanwälte und Steuerberater verfügen hier über viele Jahrzehnte an Erfahrung und Internationalität.Steuervermeidung ist heute kein Grund mehr, aus dem Kunden ihr Vermögen auch im Ausland strukturieren. Es geht vielmehr um Sicherheit, um Diversifikation und die Abbildung internationaler Sachverhalte. Wirksame, legale und legitime internationale Strukturierung ist nicht billig und macht nur für vermögende Kunden mit internationaler Vernetzung Sinn.Trotz zunehmender Transparenz und Digitalisierung ist auch der Schutz der Privatsphäre vor einem unberechtigten Zugriff nicht obsolet, sondern weiterhin ein hohes Gut. Zentral dabei ist aber, dass dieser berechtigte Schutz nur in Jurisdiktionen gewährleistet werden kann, die sich den internationalen Entwicklungen und den Anforderungen an die notwendige Transparenz und den Informationstausch nicht nur nicht widersetzen, sondern diese aktiv und korrekt umsetzen. Das bietet Rechtssicherheit sowohl für den Kunden, den Dienstleister als auch den Heimatstaat des Kunden.Neben den gesetzlichen Voraussetzungen hat sich eine neue Ebene der Grenzen für eine Strukturierung ergeben, nämlich: “Kann die Strukturierung moralisch gerechtfertigt werden? Ist sie legitim?” Das Augenmerk des öffentlichen Diskurses auf diese Fragen darf aber den Blick auf die Tatsachen nicht verstellen: Verschiedene Formen der Vermögensstrukturierung sind nicht nur legal und legitim, sondern in liberalen Wirtschaftsordnungen ausdrücklich gewünscht und in einem internationalen Kontext notwendig. Was heißt “offshore”?Wenn man plakativ “offshore” mit mangelnder Transparenz über die wirtschaftlichen Eigentümer und einem fehlenden oder unvollständigen Informationsaustausch gleichsetzen will, ist eines gerade mit Blick auf Deutschland deutlich festzuhalten: Gesellschaften, Stiftungen, Trusts und natürlich auch Bankkonten sind in Liechtenstein hinsichtlich der wirtschaftlichen Eigentümer dokumentiert und damit transparent. Es gibt seit vielen Jahren weder anonyme Bankkonten noch anonyme Stiftungen mehr in Liechtenstein. Und zwar nachweislich. Der automatische Informationsaustausch mit Deutschland ist in Kraft. “Offshore” in diesem Verständnis ist damit mit Blick auf Liechtenstein ein unzulässiger und falscher Begriff.Adrian Hasler ist Regierungschef des Fürstentums Liechtenstein.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Adrian HaslerTrotz zunehmender Transparenz ist der Schutz der Privatsphäre vor einem unberechtigten Zugriff nicht obsolet geworden.——-