Parlamentswahlen

Rückschlag für Argentiniens Linkspopulisten

Argentiniens Regierung kassiert bei den Parlamentswahlen eine Niederlage. Die Wirtschaft befindet sich in gefährlicher Schieflage. Das größte Problem sind aber die Schuldenverhandlungen mit dem IWF.

Rückschlag für Argentiniens Linkspopulisten

af Buenos Aires

Mit Zurückhaltung haben die Finanzmärkte auf die herbe Niederlage der Peronisten bei den Parlamentswahlen in Argentinien reagiert. Auch die deutliche Schwächung der linkspopulistischen Regierung brachte keine Rally in Gang. Dennoch ist unklar, welche Konsequenzen das zerstrittene Führungspaar Alberto Fernández und Cristina Kirchner aus dem Wahlausgang ziehen wird.

Der Rückschlag für die Linkspopulisten war erwartet worden, nachdem die regierende „Front aus Allen“ schon bei den Vorwahlen am 12. September deutlich verloren hatte. Nun konnte das Bündnis – auch mit Hilfe üppig verteilter Wahlgeschenke – einen Teil der Verluste wettmachen. Aber in 15 der 24 Provinzen lagen Kandidaten anderer Kräfte vorn, vor allem jene des Mitte-rechts-Bündnisses Pro. Im Kongress konnte die Regierung keine eigene Mehrheit erreichen und im Senat, den die Peronisten seit 1983 stets kontrolliert hatten, ging diese Machtbasis verloren. Bei der Gesetzgebung brauchen die Regierenden künftig Unterstützung aus anderen Fraktionen.

Noch ehe Präsident Alberto Fernández am Wahlabend vor die Kameras und seine Anhänger trat, ließ die Präsidentschaft eine zuvor aufgenommene Videobotschaft ausstrahlen. Darin rief der Präsident die Opposition zur Zusammenarbeit in zentralen Fragen auf. Argentiniens Wirtschaft ist in einer gefährlichen Schieflage. Die Devisenreserven in der Zentralbank reichen nur noch bis zum Jahresende, haben mehrere unabhängige Beratungsfirmen errechnet. Die Inflationsrate übersteigt bereits die 50-Prozent-Marke, wobei die Teuerung bei Grundnahrungsmitteln noch deutlich höher liegt. Im Oktober verhängte Preiskontrollen über 1500 Produkte des täglichen Bedarfs konnten die Spirale nicht anhalten. Auf dem Schwarzmarkt werden Dollars zum doppelten Preis jenes offiziellen Kurses gehandelt, den die Zentralbank trotz hoher Inflation seit Monaten kaum korrigiert hat. Und die Regierung muss nun diverse Preisfestsetzungen aus der Anfangsphase der Pandemie aufheben – für Telefonkonzerne, Internetprovider und Krankenkassen.

Das größte Problem sind freilich die schleppenden Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Ende März 2022 muss Argentinien knapp 3 Mrd. Dollar an den Fonds sowie 2 Mrd. Dollar an den Pariser Club, eine Gläubigergruppe um Deutschland, zahlen, wenn es bis dahin keine Einigung gibt. Fernández versprach, dem Kongress bis Anfang Dezember einen mehrjährigen Plan vorzulegen, der, in Abstimmung mit dem IWF, eine Reihe von strukturellen Reformen ins Werk setzen soll. Diese gehen von der Reduzierung extrem hoher staatlicher Subventionen für Energie bis zu Reformen im Steuersystem und im Arbeitsrecht. Fernández betonte, dass dieser Plan in Zusammenarbeit von Finanzminister Martín Guzman und den Fachleuten des IWF ausgearbeitet worden sei und dass er die Unterstützung sämtlicher Kräfte der Regierungskoalition haben werde.

Nach der Ausstrahlung des Videos waren sich die meisten Kommentatoren einig, dass die Hauptadressaten nicht die Bürger waren, sondern die Finanzmärkte, der IWF und vor allem Cristina Kirchner. Was nun passiert, dürfte allein von der Ex-Präsidentin abhängen. Wird sie – die ihren Platz in den Geschichtsbüchern als Kämpferin gegen das internationale Finanzwesen anstrebt – einen IWF-Deal akzeptieren? Wird sie ihn schweigend tolerieren, um den seit Monaten gefährdeten Koalitionsfrieden irgendwie zu retten? Wird sie mitsamt ihren getreuen Ministern aus der Regierung ausziehen und den von ihr 2019 inthronisierten Stellvertreter alleine lassen? Oder wird sie selbst die Regierung übernehmen und das Land direkt in die Arme Chinas oder Russlands führen?

Jede Variante birgt Unsicherheit und weitere ökonomische Härten für ein Land, dessen Wirtschaft seit zehn Jahren nicht wächst. Argentinien, bekannt für seine Protestleidenschaft, könnte bald massive Unruhen erleben. Ob die schwer zerstrittene Regierungskoalition dafür noch Antworten hat, ist nach der Niederlage am Sonntagabend fraglicher denn je.