China

Schlag­abtausch über Reise­auflagen

Die chinesische Regierung wirft der EU-Kommission und anderen Regierungen politische Motive vor. Die Brüsseler Behörde widerspricht und dringt auf ein einheitliches Vorgehen aller EU-Staaten.

Schlag­abtausch über Reise­auflagen

rec/nh Brüssel/Schanghai

Immer mehr Staaten verhängen Auflagen für Reisen aus China – und das führt zu einem offenen politischen Schlagabtausch mit dem Reich der Mitte. Die chinesische Regierung protestiert, weil sie politische Motive hinter den verbreiteten Einreisekontrollen vermutet. Die EU-Kommission sah sich am Mittwoch genötigt, diesem Eindruck zu widersprechen. Währenddessen erhält die Regierung in Peking Schützenhilfe aus der Flugbranche, die das Vorgehen einer wachsenden Zahl von Staaten ebenfalls heftig kritisiert.

In Brüssel berieten am Mittwoch Vertreter der 27 EU-Staaten in einer Krisensitzung über den Umgang mit Einreisen aus China. Hintergrund ist die rapide Ausbreitung des Coronavirus im Reich der Mitte. Die EU-Kommission um Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sieht eine „überwältigende Mehrheit“ unter den EU-Staaten, Coronatests vor Abflug in China vorzuschreiben. Trotzdem gelang es den EU-Staaten bis zum Abend nicht, sich auf eine gemeinsame Linie zu verständigen.

Bundesregierung zögert

Darauf dringt neben der EU-Kommission insbesondere die Bundesregierung. Anders als die Regierungen Frankreich, Italiens und Spaniens zögert sie mit der Einführung einer Testpflicht oder andere Auflagen für Reisen aus China. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Berlin drang am Mittwoch auf ein gemeinsames Vorgehen innerhalb der Europäischen Union.

Das fordert auch die EU-Kommission – und zieht sich damit Frust der Pekinger Regierung zu. Die reagiert mit erboster Rhetorik. Ein Sprecher des seit dem Jahreswechsel von Qin Gang geführten Außenministeriums betonte am Mittwoch, dass eine mit Corona-Infektionen im Zusammenhang stehende Sonderbehandlung chinesischer Bürger und wie immer geartete zusätzliche Einreisevorschriften „inakzeptabel“ seien. Das Vorgehen einer Reihe von Ländern sei rein politisch motiviert und werde von chinesischer Seite mit „entsprechenden Gegenmaßnahmen“ beantwortet. Was sie damit meint, lässt die Regierung offen.

Unterstützung erhält die Regierung in Peking vom internationalen Verband der Fluggesellschaften. IATA-Chef Willie Walsh fordert: „Die Regierungen müssen ihre Entscheidungen auf ‚wissenschaftliche Fakten‘ und nicht auf ‚Wissenschaftspolitik‘ stützen.“ Dagegen zeigen Ge­sundheitsexperten überwiegend Verständ­nis für die Haltung der EU-Kom­mission und andere Staaten (siehe Infokasten). Die EU-Kommission beharrt auf „rein wissenschaftlichen“ Gründen für ihr Vorgehen. Grund sei die Corona-Lage in China, die sich Tag für Tag zuspitzt.

Bereits am Dienstag hatte eine Vertreterin des chinesischen Außenministeriums eine „manipulative An­wendung von Corona-Präventionsmaßnahmen“ beklagt, mit denen politische Ziele verfolgt würden. Seit dem Jahreswechsel hat in Peking eine unverkennbare Verschärfung der Rhetorik eingesetzt. Anfänglich hatte die Regierung in Reaktion auf erste Ansätze einer zusätzlichen Kontrolle von Einreisenden aus China und dem Aufspüren von Ansteckungsfällen lediglich zur Anwendung „angemessener und wissenschaftsbasierter Maßnahmen“ aufgefordert, die den Reiseverkehr und „normale Personenkontakte“ mit chinesischen Bürgern nicht behinderten.

In den Parteizeitungen und anderen Staatsmedien werden seit Tagen vor allem die USA und Japan als „Aufwiegler“ kritisiert, die politisches Kapital aus einer „Schmutzkampagne“ mit antichinesischer Stimmungsmache zu ziehen versuchten. Damit einher geht die Aufforderung an die EU, sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Explizit gelobt wird die Zurückhaltung der Bundesregierung.

Aus Pekinger Sicht wird allein die Thematisierung einer explizit von China ausgehenden Gefahr der Verbreitung einer neuerlichen Corona-Infektionswelle als massiver diplomatischer Affront verstanden. Dies erinnert ein wenig an die empfindlichen Reaktionen zu Beginn der Pandemie, nachdem der anfänglich in der Großstadt Wuhan festgestellte Virus über Reisende sich rasch auf andere Länder ausbreitete. In Peking sah man deshalb die Gefahr einer globalen Kampagne mit Entschädigungsforderungen.

Chinas Ärger bekam seinerzeit vor allem Australien zu spüren. Der damalige Premier Scott Morrison forderte eine globale Untersuchung zum Ursprung des Coronavirus. Daraufhin verhängte Peking eine Reihe von Handelssanktionen. Nach einem Regierungswechsel in Canberra gibt es zwar Ansätze einer Entspannung. Die könnte nun allerdings Makulatur sein: Australien zählt von nun an zu denjenigen Ländern, die von chinesischen Bürgern ein negatives Corona-Testergebnis für eine Einreise nach Australien fordern.

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