Spanien senkt Steuern
Madrid ignoriert die Forderungen von EU-Kommission und IWF nach einer Anhebung der Mehrwertsteuer. Die spanische Regierung betont, dass die Entlastungen im Wahljahr den Konsolidierungskurs nicht gefährden würden.ths Madrid – Erstmals seit Ausbruch der schweren Wirtschaftskrise vor sechs Jahren können sich die Spanier wieder über sinkende Steuern freuen. Die konservative Regierung von Mariano Rajoy stellte am Freitag die seit langem erwartete Steuerreform vor, die nach kurzer Beratung noch im Sommer abgesegnet werden und im Januar in Kraft treten soll. “Jetzt ist der Moment gekommen, um den Menschen für ihre Opfer etwas zurückzugeben”, sagte Finanzminister Cristóbal Montoro. Die Entlastungen für Bürger und Unternehmen würden dem zaghaften konjunkturellen Aufschwung Schub geben und Arbeitsplätze schaffen, so der Minister. Nach Berechnungen der Regierung lässt die Reform das Bruttoinlandsprodukt um zusätzliche 0,55 Prozentpunkte wachsen.An der Reform wurde seit Monaten gearbeitet, doch ist nach Ansicht von Beobachtern am Ende nicht der große Wurf dabei herausgekommen, der radikale Umbau des ineffektiven spanischen Steuersystems, den viele Experten fordern. Im Wesentlichen sinken die diversen Sätze wieder auf das Niveau von 2011, als die frisch gewählte Regierung Rajoy angesichts der dramatischen finanziellen Lage die Steuern drastisch anhob.Die Einkommensteuer sinkt gemäß den Zahlen von Montoro im Schnitt um 12,5 %. Die unteren Einkommen bis 24 000 Euro im Jahr, die zwei Drittel aller Steuerzahler ausmachen, werden sogar um 23 % entlastet. Der Spitzensatz sinkt in zwei Stufen bis 2016 von 52 % auf 45 %. Auch Sparer dürfen sich über niedrigere Abgaben für Einlagen und andere Finanzprodukte freuen. Der Spitzensatz auf Kapitalerträge sinkt bis 2016 von 27 % auf 23 %.Die Unternehmenssteuer wird in zwei Stufen von 30 % auf 25 % gesenkt, was derzeit schon für kleine und mittlere Unternehmen gilt. Dafür will Montoro die Schere an den vielen Abschreibungsmöglichkeiten ansetzen, dank deren die großen Konzerne ihre Steuerlast unter 10 % drücken können. Die Steuervorteile für Forschungsausgaben werden jedoch verschont, und es gibt eine neue Maßnahme, welche die Kapitalisierung der Firmen begünstigt.Wie von der Regierung seit Monaten versichert, wird die Mehrwertsteuer nicht angetastet. Vor zwei Jahren wurde der allgemeine Satz auf 21 % erhöht, und viele Produkte, etwa Karten für Theater, Kino und Konzerte, verloren ihre begünstigte Besteuerung. Spanien trotzt damit dem Druck der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF), die seit geraumer Zeit eine Anhebung der indirekten Steuern fordern, um eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge zu finanzieren. Eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer sei nicht nötig und sogar kontraproduktiv, so Montoro.In Brüssel machte man keinen Hehl aus der Enttäuschung hinsichtlich der Reform. “Wir sind von den Spaniern nicht gerade intensiv um Beratung gefragt worden”, sagte der Vizepräsident der Kommission, Olli Rehn. Er werde nun genau prüfen, welchen Einfluss die Maßnahmen auf den Haushalt haben werden. Montoro bezifferte den Einnahmenverlust auf rund 4,8 Mrd. Euro, wie im spanischen Stabilitätsprogramm bereits vorgesehen ist. Das Steueraufkommen habe sich stabilisiert und in den fünf Monaten bis Mai im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5 % zugelegt. Schließlich hat auch der deutliche Rückgang der Zinsen für spanische Staatsanleihen Luft verschafft. Die Steuerzahler bekommen die Entlastung ab nächstem Jahr zu spüren, wenn Wahlen zum nationalen Parlament, der Mehrheit der Regionen sowie aller Gemeinden anstehen.