Streit um Ceta und TTIP geht weiter

Positionen von Industrie und Gewerkschaften bleiben unvereinbar

Streit um Ceta und TTIP geht weiter

ge/ahe Berlin/Brüssel – Ungeachtet der Einigung im SPD-Parteivorstand über das geplante europäische Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) bleiben die Fronten in Sachen Handelspolitik in Deutschland verhärtet. Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Ceta noch einmal ausdrücklich als eines der “modernsten Freihandelsabkommen” überhaupt würdigte, forderten die Gewerkschaften erneut Nachverhandlungen.Nach Einschätzung von Stormy-Annika Mildner, Leiterin der BDI-Abteilung Außenwirtschaftspolitik, eröffnet das mit Kanada bereits ausverhandelte Abkommen nicht nur den Zugang zu den bis heute abgeschotteten öffentlichen Vergaben, sondern verbessert auch den Investitionsschutz. Zudem sei das Recht auf Regulierungshoheit gesichert, womit hiesige Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitsstandards unantastbar seien, sagte die BDI-Expertin am Mittwoch in Berlin. Angesichts der geplanten baldigen Unterzeichnung des Abkommens auf dem EU-Kanada-Gipfel im Oktober seien die von einigen Gruppen angemahnten Änderungen inzwischen schwierig.Das Argument ließ Verdi-Chef Frank Bsirske nicht gelten. “Dieses Rennen ist noch nicht entschieden”, betonte er vor Gesprächen mit dem Vorsitzenden des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Brüssel. Bsirske verwies darauf, dass der kanadische Gewerkschaftsbund ähnliche Vorbehalte wie die deutschen Arbeitnehmervertretungen habe. Die DGB-Gewerkschaften lehnen Ceta unter anderem wegen der Vereinbarungen zum Investitionsschutz ab, die sie als eine Bevorzugung der außereuropäischen Investoren einstufen.Als einen Durchbruch mit Vorbildfunktion für andere Freihandelsabkommen wertet dagegen Stormy-Annika Mildner den vorgesehenen öffentlichen Gerichtshof, der den Schutz von Investitionen sichern soll. Sie verwies darauf, dass im Gegensatz zum heute schon vorhandenen Schiedsgericht bei Ceta nicht Unternehmen, sondern Kanada und die EU einen Pool von je fünf Schiedsrichtern auswählen, zu denen sich weitere fünf aus Drittstaaten gesellen sollten. Der jeweilige Vorsitzende kommt grundsätzlich aus einem Drittstaat. Neu ist zudem, dass es in Zukunft auch ein Berufungsverfahren geben wird. Anders als heute soll künftig auch die Urteilsfindung transparenter werden.Bsirske verwies dagegen auf die Kritik vom Deutschen Richterbund, der die Unabhängigkeit der Richter im neuen öffentlichen Gerichtshof nicht als gegeben ansieht. Der Verdi-Chef betonte, die deutschen Gewerkschaften seien nicht grundsätzlich gegen Handelsabkommen der EU mit Kanada und den USA – allerdings müssten die Rahmenbedingungen stimmen.Beim geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP bezeichnete BDI-Expertin Mildner es derweil als “außerordentlich bedauerlich”, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Verhandlungen als “de facto gescheitert” bezeichnet hatte. Es werde weiterhin verhandelt, und bei vielen Themen seien USA und EU “nicht weit auseinander”. Allerdings räumte Mildner auch ein, dass in Detailfragen beide Seiten teilweise noch weit auseinanderlägen. Anders als Kanada stünden die USA einem öffentlichen Gerichtshof skeptisch gegenüber. Keinen Durchbruch sieht der BDI auch bei der angestrebten Öffnung der öffentlichen Auftragsvergabe. Einige US-Bundesstaaten hätten noch nicht einmal die entsprechenden WTO-Regeln unterzeichnet. Sie könnten “diskriminieren ohne Ende”. AmCham fordert EinigkeitWährenddessen hat die amerikanische Handelskammer in Deutschland von der Bundesregierung Einigkeit und Unterstützung bei den Verhandlungen um TTIP gefordert. AmCham-Präsident Bernhard Mattes sagte in Frankfurt, die Verhandlungen sollten ruhig und sachlich weitergeführt werden. “Ständige Zwischenrufe helfen nicht.”