VW als Konjunkturrisiko

Ifo-Chef Sinn: Skandalfolgen für die deutsche Wirtschaft noch nicht absehbar

VW als Konjunkturrisiko

Die am Weltmarkt spürbare Abkühlung der Konjunktur und die sich verfestigenden globalen Krisenherde nagen am bisher vorherrschenden Optimismus der Ökonomen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für 2015 leicht gesenkt. Ifo-Chef Sinn spricht von einer “etwas mühsamen Entwicklung”.Von Stephan Lorz, Frankfurt”Das Konjunkturklima kühlt ab. Nicht dramatisch. Die Auswirkungen des VW-Skandals sind dabei aber noch nicht berücksichtigt, weil noch zu unklar.” Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, gibt sich als Keynote-Redner der Investmentfondstage der Börsen-Zeitung betont vorsichtig.Deutschland stellt nach seinen Worten zwar nach wie vor so etwas wie einen Fels in der Brandung dar und hält die Konjunktur in Europa am Laufen, doch die Risiken werden immer größer. Neben dem VW-Skandal listet er hier vor allem die Konjunkturabkühlung in den Schwellenländern wie China und Brasilien auf. Und auch die Krisenländer in der Eurozone sind seines Erachtens noch nicht auf trockenem Boden angelangt. Er spricht in Bezug auf Spanien von einem “keynesianischen Bluff”. Und im Hinblick auf Griechenland müsse man sich auf nicht enden wollende Finanzhilfen einstellen. Die Forderung nach einem zusätzlichen “Marshallplan” für Griechenland klingt in Sinns Ohren wie Hohn: Deutschland habe auf diesem Weg seinerzeit einen Gegenwert von 5,2 % der Wirtschaftsleistung (BIP) erhalten, Griechenland käme schon jetzt auf 200 %.In Bezug auf die Euro-Konjunktur spricht Sinn von einer “etwas mühsamen Entwicklung”. Hoffnung setzt er hier auch auf eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland, weil dieser Staat einen “komplementären Handelspartner” darstelle: Rohstoffe gegen Fertigwaren. Das bringe mehr Vorteile für Deutschland als der Handel mit den USA, auch wenn die Wirtschaft dort wieder prosperiere. Über seine Wachstumsprognose für das kommende Jahr wollte Sinn nicht reden, weil diese – zusammen mit den anderen Wirtschaftsforschungsinstituten – am heutigen Donnerstag vorgestellt wird. Der Optimismus scheint seinen Worten nach aber gedämpfter zu sein. Neue WachstumsprognoseDas bestätigen auch die inzwischen bekannt gewordenen Eckdaten der Prognose. Danach erwarten die Wirtschaftsforschungsinstitute trotz der VW-Krise und einer schwächelnden Weltkonjunktur einen stabilen Aufschwung in Deutschland. Sie senkten zwar ihre aus dem Frühling stammende Prognose für das Wachstum in diesem Jahr von 2,1 auf 1,8 %. Für 2016 gehen sie aber weiter von einem Plus von ebenfalls 1,8 % aus, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch von mehreren mit dem Herbstgutachten vertrauten Personen erfuhr. Ungeachtet der durch die Flüchtlingskrise anfallenden Milliardenkosten halten die Ökonomen in beiden Jahren erneut Überschüsse im Staatshaushalt für möglich – nicht zuletzt durch steigende Löhne, die mehr Steuern in die Staatskasse spülen.Die Prognosen der Wissenschaftler entsprechen den bisherigen Schätzungen der Bundesregierung. Diese will noch in diesem Monat ihre Konjunkturvorhersagen überarbeiten. Die Gemeinschaftsdiagnose des Münchner Ifo-Instituts, des Berliner DIW, des Essener RWI und des IWH aus Halle dient dabei als Grundlage. 2014 war die deutsche Wirtschaft um 1,6 % gewachsen.Die Ökonomen erwarten außerdem eine weiterhin solide Entwicklung am Arbeitsmarkt. So werde die Zahl der Erwerbstätigen auch im kommenden Jahr weiter zulegen. Aufgrund der Flüchtlingskrise sei allerdings zu erwarten, dass die Arbeitslosigkeit 2016 steigt.Die Institute untersuchten auch die Auswirkungen des VW-Abgasskandals. Die Affäre stelle zwar ein Risiko für die Konjunktur dar. Konkrete Folgen seien aber bisher nur schwer abschätzbar, sagen auch sie. Sinn forderte in diesem Zusammenhang, bei den Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) auch die Rolle der US-Staatsanwaltschaft anzusprechen, die zur eigenen Profilierung besonders hart gegen Unternehmen vorgeht, was sich dann aber “mit Geld abwenden lässt”. Das sei “undenkbar in der deutschen Rechtsordnung”. Sinn: “Wir können keinen TTIP-Vertrag unterschreiben, ohne darin auch die Rolle des US-Justizsystems geklärt zu haben.”