DIE SORGEN UM DIE KONJUNKTUR NEHMEN ZU

Wachstum lässt nach

Konjunkturkrise bleibt aus - Herbstgutachten sieht Risiken im harten Brexit und im globalen Handelsstreit

Wachstum lässt nach

Eine Konjunkturkrise sehen die Herbstgutachter nicht am Horizont: Die Wirtschaft ist immer noch überausgelastet, wenn auch auf dem Wege der Normalisierung. Die Industrie aber ist in der Rezession. Konjunkturprogramme lehnen die Wirtschaftsforschungsinstitute ab, der Haushalt soll jedoch atmen. wf Berlin – Vor “konjunkturpolitischem Aktionismus” warnen die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Herbstdiagnose. Die öffentlichen Haushalte sollten mit der Konjunktur atmen, schreiben die Forscher in ihrem Gutachten. Dies sei die wirksamste finanzpolitische Stabilisierung. “Hierzu bietet die Schuldenbremse explizit Spielraum.” An der “schwarzen Null” soll der Bundesfinanzminister nur dann nicht mehr festhalten, wenn die Konjunktur sich stärker abschwäche als im Gutachten prognostiziert. Das Gemeinschaftsgutachten stammt vom DIW Berlin, dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), dem Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel), dem RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und dem Münchener Ifo-Institut.Die Forscher rechnen in diesem und den nächsten zwei Jahren mit einer weiteren Abkühlung der Konjunktur, erwarten allerdings keine Rezession. Trotz hoher konjunktureller Abwärtsrisiken sei “eine Konjunkturkrise mit einer ausgeprägten Unterauslastung der deutschen Wirtschaft nicht zu erwarten”, schreiben die Ökonomen. Für dieses Jahr nahmen sie die Prognose auf 0,5 % Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zurück. Für die nächsten beiden Jahre rechnen sie mit 1,1 % und 1,4 % Zuwachs des BIP. In ihrem Frühjahrsgutachten waren die Forscher noch von plus 0,8 % und plus 1,8 % für 2019 und 2020 ausgegangen. Industrie in der Rezession Gründe für die sich abschwächende Konjunktur sehen die Forscher in erster Linie in der Schwäche der deutschen Industrie. Die Produktion dort gehe seit Mitte 2018 zurück, da die Nachfrage nach Investitionsgütern auf wichtigen Absatzmärkten schwächer werde. Die Industrierezession strahle nun auf die unternehmensnahen Dienstleister aus. Besonders die Automobilbranche lahme. Dies habe zyklischen Ursachen, aber auch strukturelle. Der technologische Wandel zu neuen Antriebstechniken könne die Kaufdynamik bei Autos mit Verbrennungsmotor gebremst haben. Zudem sei in China eine Steuerermäßigung für Pkw-Käufe ausgelaufen. Die “Abwrackprämie”, um herkömmliche Fahrzeuge zugunsten von Elektroautos aus dem Markt zu nehmen, lehnen die Forscher ab. Die vorzeitige Verschrottung langlebiger Konsumgüter durch staatliche Subventionen anzureizen, sei nicht zu rechtfertigen.Risiken liegen dem Gutachten zufolge im schwelenden Handelskonflikt der USA mit China und Europa. Eine zügige Beilegung dürfte die globale Unsicherheit senken und Investitionsneigung in der Weltwirtschaft erhöhen. Eine Verschärfung wäre ein Dämpfer, auch in Deutschland. Nicht berücksichtig ist in der Prognose eine harter Brexit, der hierzulande kurzfristig 0,4 Prozentpunkte BIP kosten dürfte, kumuliert über die nächsten beiden Jahre 0,7 Punkte. Ein weiteres Prognoserisiko sei die Frage, wie die Eintrübung der Außenwirtschaft durch Volten der Handelspolitik oder zyklische Faktoren die Entwicklung bei Investitionsgütern und langlebigen Konsumgütern bestimmt. Die Belebung 2020 und 2021 könnte damit besser ausfallen. Das weltwirtschaftliche Wachstum schätzen die Institute in diesem Jahr auf 2,7 % und 2020 sowie 2021 auf 2,6 % und 2,7 %. In der EU liegen die prognostizierten Wachstumsraten bei 1,4 % in diesem und im nächsten Jahr sowie 1,6 % im Jahr 2021.Aus der Wirtschaft kam prompt Zustimmung zu einer expansiven Finanzpolitik. Die “schwarze Null” dürfe kein Dogma sein, verlangte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang. Der Spielraum müsse genutzt werden, um frühzeitig auf die härteren Zeiten zu reagieren. Er forderte, ein Sofortprogramm zur Stärkung der privaten und öffentlichen Investitionen auszuarbeiten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lehnt die Aufgabe der “schwarzen Null” ab. Es sei das falsche Thema zur falschen Zeit, erklärte er in Berlin.