Frühjahrsgutachten Sachverständigenrat Wirtschaft

Wirtschaftsweise zanken über Wege zu Bürokratieabbau und mehr Wachstum

Der Sachverständigenrat Wirtschaft ist sich einig, dass die deutsche Bürokratie Investitionen und Wachstum hemmt. Während die Mehrheit aber eher das Skalpell ansetzen möchte, will Viktoria Grimm zur Machete greifen.

Wirtschaftsweise zanken über Wege zu Bürokratieabbau und mehr Wachstum

Rat streitet über zielführende Wege zum Bürokratieabbau

lz Frankfurt

Die Wirtschaftsweisen gehen nicht mehr davon aus, dass es noch im laufenden Jahr eine konjunkturell spürbare Erholung geben wird. In ihrem Frühjahrsgutachten erwarten sie wie andere Wirtschaftsforschungsinstitute auch nun für 2025 eine Stagnation. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiter in einer ausgeprägten Schwächephase“, heißt es da. 2026 könnte sich dann langsam wieder Wachstum einstellen – aber auch nur ein verhaltenes mit einem Plus von 1%. Ob Deutschland mittel- und langfristig zurück in die wirtschaftliche Erfolgsspur findet, ist aus Sicht der Experten alles andere als sicher.

Neben dem Zollkonflikt mit den USA bremsen nach Auffassung der Ratschefin Monika Schnitzer vor allem die überbordende Bürokratie und langwierige Genehmigungsverfahren die Wirtschaft. Wie der Bürokratieabbau angegangen werden kann, darüber gibt es aber innerhalb der Wirtschaftsweisen unterschiedliche Sichtweisen. Die Mehrheit fordert die Bundesregierung auf, Informations- und Genehmigungspflichten zu vereinfachen und zu digitalisieren. Was bisher getan worden sei, zielt nach ihrer Beobachtung zwar in die richtige Richtung, sei aber oft noch zu punktuell.

„Nur mit wirksamen Reformen können wir einen spürbaren Effekt auf das Wirtschaftswachstum erreichen“, erläutert der Wirtschaftsweise Martin Werding. Ziel sei es, nicht nur bestehende Auflagen zu verringern, sondern auch einem erneuten Bürokratieanstieg vorzubeugen. Gesetze, bei denen unklar sei, ob sie das gesteckte Ziel erreichen und hohe Kosten verursachten, seien zu hinterfragen.

Kollegin Veronika Grimm teilt die Einschätzung der Ratsmehrheit zwar, dass der Bürokratieaufwand deutlich reduziert werden sollte, hält aber deren Ansatz für unzureichend und nicht zielführend. Echte Entlastung könne es nur mit einem konsequenten Abbau von Regulierung geben. Modernisierung und Vereinfachung seien nicht genug. Durch einen konsequenten Abbau von Regulierung könnten nämlich auch gleich weitere Hemmnisse für Wachstum und Innovation wirksam beseitigt werden.

Strukturwandel beschleunigen

Auch wegen des aus ihrer Sicht zu langem Festhalten an alten industriellen Strukturen reden die Sachverständigen der Politik ins Gewissen. Sie fordern die Regierung zu einem neuen wirtschaftspolitischen Kurs auf. „Eine Wirtschaftspolitik, die darauf setzt, den Strukturwandel mit Subventionen aufzuhalten, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein“, sagte Ratsvorsitzende Monika Schnitzer. Statt Arbeitsplätze zu erhalten, die langfristig „nicht überlebensfähig“ seien, solle man gezielt den Übergang in neue Geschäftsmodelle und Berufe fördern, etwa durch Investitionen in ein modernes Straßen- und Schienennetz, in digitale Infrastruktur oder in Forschung, von der möglichst viele Branchen profitieren.

Das wäre wichtig, weil sich der Strukturwandel aus Sicht der Weisen absehbar noch deutlich beschleunigen werde. „Treiber dieser Entwicklung sind Veränderungen in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, die durch die jüngsten Handelskonflikte noch weiter forciert werden“, so die Experten. Hierzu zählen sie etwa die Dekarbonisierung, die Digitalisierung und die schnelle Entwicklung der Künstlichen Intelligenz sowie den demografischen Wandel. Ziel müsse es sein, die Anpassungen an die neuen Gegebenheiten zu erleichtern und aktiv neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.