Zuversicht für deutsche Wirtschaft schwindet

Konjunkturtableau zeigt deutliche Prognosesenkung im Vergleich zum Jahresstart - Sorgen um Exporte werden größer - Höhere Erwartungen an Konsumenten

Zuversicht für deutsche Wirtschaft schwindet

Harte Daten wie Produktion und Exporte sind im Mai zwar etwas besser ausgefallen als im April, an den Sorgen um die deutsche Konjunktur ändert sich aber nichts. Dies spiegelt sich im aktuellen Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung wider.Von Alexandra Baude, FrankfurtDer immer noch ungelöste globale Handelsstreit und die Unsicherheit über die genaue Ausgestaltung des Brexit sorgen zunehmend für Wachstumsskepsis. Dass auch die Dynamik der US-Wirtschaft in Frage steht und der Stimulus der chinesischen Regierung nicht ganz so greift wie erhofft, tut das Ihrige dazu. Auch im Juli schlagen daher die zuletzt reihenweise teils deutlich heruntergeschraubten Wachstumsprognosen auf das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung durch.Für das laufende Jahr wird nur mehr ein Plus des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,7 % veranschlagt nach 0,8 % im Monat zuvor. Für 2020 werden 1,3 % vorhergesagt, auch hier wurde die Prognose um 0,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat reduziert. Das Ausmaß der Skepsis zeigt sich im Vergleich zu den Prognosen vom Jahresanfang, die mit 1,3 % für 2019 und mit 1,6 % für 2020 noch deutlich höher lagen. Heruntergeschraubt wurden insbesondere Voraussagen der Entwicklung der Exporte. Statt eines Wachstums von 2,3 % (2019) und 3,9 % (2020) stehen nun 1,4 % (2019) und 2,6 % (2020) im Tableau. Handelskonflikte belastenDies stand zu erwarten, nachdem die Handelskonflikte und die sich abkühlende Weltkonjunktur die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft seit Monaten belasten. Das Exportplus von Mai erlaube nur ein kurzes durchschnaufen, das Tempo kann Ökonomen zufolge nicht gehalten werden (vgl. BZ vom 9. Juli). Dass im Juni die Ifo-Exporterwartungen auf 0,0 Saldenpunkte gefallen sind, heißt, dass die Firmen keinen Zuwachs mehr bei den Exporten erwarten. Angesichts des rauer werdenden Umfelds hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) vergangene Woche seine Exportprognose auf 1 % zurückgenommen – im Herbst 2019 hatte der Verband noch ein Plus von 2,5 % für 2019 auf dem Zettel (vgl. BZ vom 3. Juli). Ebenfalls kräftige Veränderungen im Vergleich zum Jahresanfang zeigen sich im Konjunkturtableau bei der Prognose für die Anlageinvestitionen im kommenden Jahr – diese wurde kräftig von 2,8 % auf aktuell 2,1 % heruntergeschraubt. Erste Spuren am JobmarktAuch für den Arbeitsmarkt zeigen sich die Auguren etwas vorsichtiger als zuletzt: “Inzwischen gehen die Experten davon aus, dass sich die Verlangsamung des Wachstums auch auf die Arbeitslosenquote niederschlagen wird”, konstatiert ZEW-Experte Michael Schröder. So wurde die Prognose für 2019, die im vergangenen Monat noch bei 4,1 % lag, “sehr deutlich auf 4,9 % erhöht”. Für 2020 wurde die Voraussage der Arbeitslosenquote um 0,9 Prozentpunkte auf 4,8 % nach oben gesetzt. Sämtliche Frühindikatoren für den hiesigen Jobmarkt – das Ifo-Beschäftigungsbarometer, das Arbeitsmarktbarometer des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit BA-X – deuten auf einen sich in den kommenden Monaten abschwächenden Beschäftigungsaufbau sowie saisonbereinigt steigende Arbeitslosenzahlen hin. Ökonomen weisen auch immer deutlicher darauf hin, dass die Gefahr des Überschwappens der Stimmungsschwäche der Industrie auf die anderen Wirtschaftsbereiche und letztlich auf den Arbeitsmarkt mit deren Dauer ansteigt.Ein weiteres Indiz, dass es am Arbeitsmarkt nicht mehr ganz so rund läuft, ist der Anstieg der Kurzarbeit und der diesbezüglichen Beratungen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Kurzarbeit gilt als probates Mittel, Fachkräfte trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten zu halten. Laut einer Ifo-Umfrage erwarten 8,5 % der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe Kurzarbeit in den kommenden drei Monaten und damit so viele wie zuletzt Anfang 2013 – im Juli 2018 waren es gerade einmal 2,6 %. Aktuell würden 3,8 % der Betriebe Kurzarbeit fahren, das ist der höchste Wert seit Mitte 2013. Seit dem vorherigen Tief Ende 2017 von 0,4 % steigt er kontinuierlich an, berichtet Ifo-Experte Timo Wollmershäuser. Bislang seien acht Branchen betroffen – mit einem Anteil von 30 % sind dies insbesondere Betriebe im sonstigen Fahrzeugbau, also Hersteller von Schiffen, Zügen, Luft- und Raumfahrzeugen, Panzern und von Motor- und Fahrrädern. Hochrechnungen der BA zufolge ist die konjunkturbedingte Kurzarbeit im April auf knapp 44 000 Personen gestiegen nach 13 000 im April 2018. Dass große Konzerne wie die Deutsche Bank, Siemens, BASF ebenso wie Mittelständler kräftig Stellen streichen wollen, ist noch besorgniserregender.Die Sorge um die weitere Entwicklung des bislang äußerst robusten Arbeitsmarktes treibt mittlerweile auch die deutschen Verbraucher um, wie jüngst die monatliche Konsumklimastudie der GfK ergeben hat (vgl. BZ vom 27. Juni). Noch aber sei die Konsumlaune gut, heißt es bei den Nürnberger Konsumforschern und auch das Konsumbarometer des Einzelhandelsverbandes HDE signalisiert für Juni eine stabile Verbraucherstimmung. Allerdings blieben die Verbraucher vorsichtig und bereiteten sich wieder mehr auf künftige Risiken vor, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den HDE-Geschäftsführer Kai Falk. Dies spiegelt sich auch in den zuletzt rückläufigen Einzelhandelsumsätzen. Im Mai sind die Erlöse um real (preisbereinigt) 0,6 % zum Vormonat gesunken wohingegen Ökonomen ein Plus von 0,5 % erwartet hatten. Im April waren die Einzelhandelsumsätze noch um revidiert 1,0 (zuvor: 2,0) % zurückgegangen, obwohl das Ostergeschäft komplett in diesen Monat gefallen war. Schlechte Nachrichten also für den privaten Konsum, einer der Stützen des gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Allerdings zeigt das Konjunkturtableau, dass der Privatkonsum wieder kräftiger erwartet wird – die Prognose für 2019 wurde um 0,3 Punkte auf 1,3 % erhöht, wohingegen die Voraussagen für den Staatskonsum um 0,5 Punkte auf +1,5 % gesenkt wurden. Ähnliches Bild in EurozoneEin ähnlich skeptisches Bild zeichnen die Experten auch für den Euroraum. Hier wurden die Wachstumsprognosen ebenfalls nach unten geschraubt: Nach +1,5 % zu Jahresbeginn liegt die Prognose für 2019 nun bei 1,2 %, bei der Voraussage für 2020 steht ein aktueller Wert von 1,3 % der Jahresanfangsprognose von 1,6 % gegenüber. “Auch das unerwartet gute erste Quartal 2019 konnte an der Eintrübung des Ausblicks nichts ändern”, wie Schröder kommentiert. Die Prognosen für die Arbeitslosenquote im Eurogebiet allerdings bleiben unverändert bei 7,7 % für 2019 und 7,6 % für das nächste Jahr.Dass die Teuerung nicht vorankommt hat ebenfalls zu Prognoseänderung geführt. Für das gesamte Jahr 2019 und 2020 werden nun 1,3 % und 1,4 % erwartet, das sind jeweils 0,1 Punkte weniger noch als im vergangenen Monat. Für Mai hat das Statistikamt Eurostat eine Inflationsrate von 1,2 % gemeldet (vgl. BZ vom 29. Juni). “Die von EZB-Präsident Mario Draghi angekündigte erneute Lockerung der EZB-Geldpolitik wird vor diesem Hintergrund sehr verständlich”, meint ZEW-Experte Schröder dazu.