Aktiv gegen Aktivisten
Notiert in Brüssel
Aktiv gegen Aktivisten
Von Detlef Fechtner
Zu den beliebtesten Stadtführungen in Brüssel zählt die Tour des Lobbyistes. Das ist ein Rundgang durch das Europaviertel, insbesondere durch die Rue Montoyer, die viele Büros von Interessensvertretern beheimatet. Viele von denen residierten früher in der Rue de la Loi, nahe am Berlaymont, also der Zentrale der EU-Kommission. Doch weil das EU-Parlament im institutionellen Gefüge an Macht gewonnen hat und es leichter zu sein scheint, Abgeordnete zu Änderungsanträgen zu überreden als EU-Beamte zu Korrekturen an ihren eigenen Gesetzesentwürfen, sind viele Lobbybüros in die Nähe des Parlaments umgezogen.
Besserer Ruf als in Deutschland
In Brüssel ist die Bezeichnung Lobbyist nicht ganz so verrufen wie in Deutschland. Das mag daran liegen, dass es so viele sind, dass man also meist irgendeinen persönlich kennt. Auch wenn sich die Schätzungen unterscheiden, weil sie auf unterschiedliche Gesamtheiten abstellen (hauptamtlich/nebenberuflich, akkreditiert/freischwebend), dürfte die Zahl der Mitarbeiter aus Bereichen mit wohlfeilen Namen wie „Politische Kommunikation“ oder „Regulatory Affairs“ irgendwo zwischen 15.000 und 25.000 liegen.
Wesentlich belastbarer ist die Aussage, dass der weit überwiegende Teil von ihnen Interessen von Unternehmen, Branchen und Industrien vertritt – und nur ein ganz kleiner Teil im Dienste von Klimaschutz und Menschenrechten unterwegs ist. Also zu denjenigen gehören, die im Volksmund eher als Aktivisten denn als Lobbyisten bezeichnet werden.
Streit ausgebrochen
Genau um diese Gruppe ist nun großer Streit entbrannt. Von „fragwürdiger Lobbyarbeit“ ist die Rede und von „geheimen Absprachen“. Im Kern geht es um EU-Geld, mit dem Umweltgruppen unterstützt werden, die versuchen, auf EU-Gesetzgebung einzuwirken oder durch Klagen Unternehmen unter Druck zu setzen.
Längst hat die Debatte, die federführend von der CSU-Europapolitikerin Monika Hohlmeier auf der einen und dem Bündnis Lobbycontrol auf der anderen Seite geführt wird, hohe Wellen geschlagen. Die Kritiker der Umweltaktivisten um Hohlmeier argumentieren, dass selbst der EU-Rechnungshof den Nicht-Regierungsorganisationen mangelnde Transparenz vorwirft. Die Fürsprecher der Umweltvereinigungen halten dagegen, dass trotz aufwändiger Prüfungen kein echtes Fehlverhalten festgestellt worden sei.
Nachvollziehbare Argumente
Beide Seiten haben ihre Punkte. Die Wirtschaftslobbies ärgern sich – durchaus zurecht – darüber, dass sie in der Öffentlichkeit so miserabel beleumundet sind – und ihnen, selbst wenn sie sich an alle Regeln halten, von vielen Zaungästen des politischen Prozesses unlautere Einflussnahme vorgeworfen wird. Die Umweltgruppen wiederum bringt auf die Palme, dass ihnen vorgeworfen wird, sich nicht allein auf Aufklärung zu beschränken, sondern auch alle Hebel zu nutzen, um etwas zu korrigieren. Und dazu zählt nun einmal auch das Anrufen von Gerichten. Schließlich sind sie ja keine Passivisten, sondern Aktivisten.