Kommentar Konjunktur

Chinas Aufschwung kann man abhaken

China-Anleger reagieren rüde auf neue Wirtschaftsdaten. Es mangelt an Perspektiven für echte Konjunkturfortschritte.

Chinas Aufschwung kann man abhaken

Chinas Wachstum

Aufschwung abgehakt

Von Norbert Hellmann

An der Hongkonger Börse hat der Leitindex Hang Seng in Reaktion auf Chinas neue Daten zu Wachstum und Wirtschaftsleistung fast 4% verloren. Das lässt vermuten, dass die Zahlen unter aller Kanone waren. Der Fall liegt jedoch ein wenig anders.

Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft ist im vierten Quartal, wie auch im Gesamtjahr 2023, um 5,2% gewachsen, was man gemeinhin mit dem Etikett „solide“ versieht. Pekings offizielles Wachstumsziel bei 5% wurde brav erfüllt. Zuletzt im Dezember zogen Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze um 6,8% beziehungsweise 7,4% an, was ja wohl Dynamik verheißt.

Im Abgleich mit der niedrigen Ausgangsbasis des von Chinas Null-Covid-Politik geprägten Vorjahres kommt man zu einem anderen Schluss. Insbesondere der Konsum ist mit 2,8% Wachstum im Zweijahresdurchschnitt für chinesische Verhältnisse nur im Schneckentempo vorangekommen. Von einem Aufholeffekt nach dem Ausstieg aus Null-Covid war praktisch nichts zu spüren.

Vielmehr spüren die Verbraucher Rückkoppelungseffekte aus der Pandemiezeit, die ihre Einkommens- sowie Arbeitsmarktperspektiven beeinträchtigen. Das führt zu völlig konsequenten Anpassungen ihres Ausgabe- und Sparverhaltens. Nichts spricht dafür, dass im neuen Jahr plötzlich der Knoten platzt und das Land zum fröhlichen Konsumrausch zurückfindet, den Pekings Medienmaschine schon seit einem Jahr immer wieder aufs Neue prophezeit.  

Spiegelbildlich dazu gibt es keinen Anlass, der immer wieder in Aussicht gestellten Stabilisierung des Immobilienmarkts Glauben zu schenken. Die jüngsten Daten haben den Marktteilnehmern einen weiteren Schrecken eingejagt. Sie bezeugen nämlich, dass bisherige Belebungsversuche der Regierung wirkungslos verpuffen. Daraus erwächst das realistische Szenario, dass es noch zwei Jahre dauern könnte, bis der Immobiliensektor wieder positiv zum Wirtschaftswachstum beitragen kann.

Angesichts dieser Herausforderungen muss man die Frage zu Chinas künftiger Wirtschaftsdynamik neu stellen. Das Pekinger Narrativ läuft auf eine kontinuierliche Wirtschaftserholung nach Aufgabe der Pandemie-Restriktionen hinaus, die sich in diesem Jahr weiter fortsetzen wird. Damit kann man an den Märkten aus gutem Grund nichts anfangen. Das Thema postpandemischer Aufschwung ist längst abgehakt. Er hat nie in der erwarteten Form stattgefunden und wird auch nicht mit großer Verspätung kommen. Diese trübe Erkenntnis hat sich wohl in der scharfen Aktienmarktreaktion entladen.

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