Crackt daran die Koalition?
Notiert in Frankfurt
Crackt daran die Koalition?
Von Lutz Knappmann
Nur mal so zur Erinnerung: Die vielen hundert Drogenabhängigen, Obdachlosen und Sexarbeiterinnen im vom Boulevard gerne als „Zombieland“ verunglimpften Frankfurter Bahnhofsviertel sind echte Menschen mit realen Problemen, die ernstgemeinte und konkrete Hilfe brauchen. Stating the obvious? Schön wär's.
Seit Jahren ist die politische Debatte über das Drogen-Elend in der Mainmetropole vor allem geprägt von standortkosmetischen Argumenten. Beständig werden die Opfer einer tagtäglichen sozialen und medizinischen Katastrophe vor allem als dunkler Fleck auf der strahlenden Weste von Deutschlands wichtigstem Finanzplatz wahrgenommen.
Vor gut einer Woche hat Frankfurts Magistrat mehrheitlich für den Vorschlag gestimmt, ein neues Suchthilfezentrum zu errichten, das vor allem Crack-Abhängigen, deren Zahl in jüngerer Zeit dramatisch zugenommen hat, Hilfsangebote machen soll. Der geplante Standort liegt in der Niddastraße unweit des Hauptbahnhofs – und in direkter Nähe zur bestehenden Drogenszene.
Bundesweit einzigartiges Hilfsprojekt
Der politische Streit um dieses bundesweit einzigartige Pilotprojekt hat das Potenzial, die Vier-Parteien-Koalition im Magistrat zu sprengen. Während SPD, Grüne und Volt für den Standort des Crack-Zentrums votierten, stemmt sich die FDP vehement dagegen – und drohte, ganz nach dem Vorbild der Bundespartei, wiederholt mit Koalitionsbruch. Dabei folgen die Argumente den altbekannten Linien. „Selbst wenn das Hilfezentrum für Cracksüchtige funktionieren würde, bliebe doch die Frage, wie kriegen wir den Rest des Bahnhofsviertels von den Problemfällen, ich sage mal, befreit?“, ließ sich Frankfurts neuer FDP-Chef Frank Maiwald kürzlich von der „FAZ“ zitieren. „Das Bahnhofsviertel müsste das Aushängeschild für Frankfurt sein.“ Sprache kann so entlarvend sein.
Aus den Augen, aus dem Sinn
Dass das bislang in Deutschland beispiellose Sucht-Hilfsprojekt scheitern wird, setzen seine Kritiker einfach voraus. Und statt Alternativkonzepte zu entwickeln, zanken sich die Polit-Protagonisten im Nachgang der Standortentscheidung um Koalitionsarithmetik, Abstimmungsstrategien, gebrochene Versprechen und politische Beteiligungsverfahren. Ob das Crack-Zentrum in der kommenden Woche in der Stadtverordnetenversammlung zur Abstimmung kommt, ist offen.
Dabei herrscht im Grundsatz ja Konsens: Die Zustände im Bahnhofsviertel sind untragbar. Für Anwohner und Geschäftsleute, für Touristen und Passanten – vor allem aber für die vom Drogen-Elend unmittelbar betroffenen Menschen. Und niemand glaubt ernsthaft, dass die Verlagerung von Drogenszene und Drogenhilfe an einen anderen Standort dort weniger Widerstand auslösen würde als derzeit in der Niddastraße.
Lindern lässt sich die prekäre Situation nur, wenn den tatsächlich Betroffenen, den Abhängigen, echte Wege aus Sucht und Obdachlosigkeit bereitet werden. Die Strategie „Aus den Augen, aus dem Sinn“, hat noch nie Probleme gelöst.