Die Wasserstoff-Energiewende gerät ins Wanken
Stahlindustrie
Grüne Wende mit Wasserstoff wankt
Von Christoph Ruhkamp
Wenn Konzerne Milliarden ungenutzt auf dem Tisch liegen lassen, ist es ernst. Trotz Subventionen steht die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff in Frage.
Der Warnschuss kam schon im Juni. Da sagte Europas größter Stahlkonzern ArcelorMittal seine Pläne für die grüne Stahlproduktion mit Wasserstoff ab, obwohl der Bund und das Land Bremen Fördergelder von 1,3 Mrd. Euro bereitgestellt hatten. Gründe waren die fehlende Wirtschaftlichkeit und die mangelnde Verfügbarkeit von Wasserstoff. Jetzt schlägt Thyssenkrupp in die gleiche Kerbe. Der Bund und Nordrhein-Westfalen geben schon 2 Mrd. Euro – also zwei Drittel der Gesamtinvestition. Dennoch verhandelt der Konzern mit dem Bundeswirtschaftsministerium über einen Nachschlag, damit die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist.
Konzerne am längeren Hebel
Fast scheint es so, als säßen die Konzerne am längeren Hebel. Dass Unternehmen so hohe Subventionsbeträge ungenutzt auf dem Tisch liegen lassen können, ist eine neue Entwicklung. Doch sie ist nicht aus Überheblichkeit entstanden, sondern aus der Not. Es zeigt, wie ernst die Lage ist. Die Energiekosten in Deutschland und die global schwierige wirtschaftliche Entwicklung stellen auch die Rolle von Wasserstoff für die Energiewende auf den Prüfstand.
Der vermehrte Einsatz von Wasserstoff war wegen des noch fehlenden Netzes ohnehin ins Stocken geraten. Die Hersteller von Wasserstoff und die Betreiber von wasserstofffähigen Gaskraftwerken oder Direktreduktionsanlagen warten gegenseitig auf einander. Die einen brauchen den Abnehmer, die anderen den Lieferanten. So geht wenig voran.
Unternehmen müssen selbst etwas wagen
Gleichzeitig wird die finanzielle Abwägung angesichts der an allen Fronten von Zöllen und Kostensteigerungen samt hohen Zinsen bedrohten Industrie wieder dringlicher. Für den Klimaschutz wird Wasserstoff nur dort zum Einsatz kommen können, wo es keine preiswertere Alternative mit vergleichbarer CO2-Vermeidung gibt: in der chemischen Industrie, in der Stahlindustrie, bei Flugzeugtreibstoffen und als Back-up in Gaskraftwerken. Als Ersatzbrennstoff für Erdgas in Heizungen oder für Benzin in Autos und Lastwagen ist er zu teuer im Vergleich mit Wärmepumpen und Strom. Es wird eine harte Auseinandersetzung darüber geben, wie weit die Bundesregierung bei der Subvention des Hochlaufs geht. Gewiss braucht es am Anfang Subventionen, aber sie sollten kein Rundum-Sorglos-Paket sein. Die Unternehmen müssen auch selbst etwas wagen, um sich den Markt zu erobern.