KommentarFranzösische Haushaltskrise

Ein Käfig voller Narren

Frankreichs politische Krise ist auch eine Folge der jahrzehntelangen Verleugnung der haushaltspolitischen Realität.

Ein Käfig voller Narren

Frankreich

Ein Käfig
voller Narren

Von Gesche Wüpper

Frankreich leidet unter der jahrzehntelangen Verleugnung der haushaltspolitischen Realität und den fatalen Folgen der von Präsident Emmanuel Macron überraschend angesetzten vorgezogenen Parlamentswahlen. Denn jedes der ungefähr drei großen Lager in der Nationalversammlung beansprucht für sich, von einer Mehrheit gewählt worden zu sein. Die Regierungen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone erinnern deshalb mittlerweile an Sternschnuppen: Kaum sind sie aufgegangen, verglühen sie auch schon wieder. Nach einer verrückten Woche, in der sich die Ereignisse geradezu überschlagen haben, hat sich die politische Krise nun erneut dramatisch verschärft.

Revolutionäre Vergangenheit

Die links- und rechtsextreme Opposition tut jetzt mit ihren Misstrauensanträgen gegen die zweite Regierung des von Macron erneut als Premierminister ernannten Sébastien Lecornu alles dafür, damit sich der Teufelskreis immer weiterdreht. Dass Frankreichs Image an den Finanzmärkten dadurch größeren Schaden nimmt und die Wirtschaft leidet, ist ihr letztlich egal. Sie hat nur ihre eigenen Interessen, die Kommunalwahlen 2026 und die Präsidentschaftswahlen 2027 im Blick, nicht das Wohl des Landes. Bei einer Bevölkerung, die wie die Franzosen stolz auf ihre revolutionäre Vergangenheit ist, kommen ihre Appelle, den von seiner Macht her an einen König erinnernden Präsidenten zu stürzen, gut an. Zumal ein Großteil der Bevölkerung Macron inzwischen regelrecht hasst.

Durch Gaukeleien in der Sackgasse

Die aktuelle politische Krise ist auch eine Folge der haushaltspolitischen Sackgasse, in die sich Frankreich in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter hineinmanövriert hat. Aus Angst, auf der Straße und an den Urnen abgestraft zu werden, gaukelten französische Politiker den Wählern stets vor, Reformen und Sparmaßnahmen zur Reduzierung von Defizit und Verschuldung seien vermeidbar. Und obwohl Frankreich jetzt das höchste Haushaltsdefizit der Eurozone und die dritthöchste Staatsverschuldung hat, tut die Opposition noch immer so, als sei keine Rentenreform nötig. Dabei werden die Probleme um so größer, je weiter sie aufgeschoben werden.


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