TKMS ist entfesselt
TKMS ist entfesselt
TKMS
Fesseln abgestreift
Mit dem gelungenen Spin-off hat sich die Marinesparte von Thyssenkrupp von den finanziellen Fesseln befreit, auch wenn der Mutterkonzern das Heft in der Hand behält.
Von Annette Becker
Ein solch fulminantes Börsendebüt wie das von TKMS hat es lange nicht mehr gegeben. Gleich in der ersten Handelsstunde schnellte der Kurs um 60% in die Höhe. Von hohem Abgabedruck seitens der Altaktionäre ist bis heute nichts zu spüren. Aus dem Stand heraus bringt es die Marinesparte von Thyssenkrupp auf eine Marktkapitalisierung von gut 5 Mrd. Euro und bewegt sich damit beinahe auf Augenhöhe mit dem Mutterkonzern, der mit 51% weiterhin die Mehrheit hält. Zudem hat sich Thyssenkrupp mit der Rechtsformwahl der KGaA das Sagen auch für den Fall gesichert, sollte die Mehrheit verloren gehen. Warum also die Trennung?
Aus Sicht der Altaktionäre von Thyssenkrupp hat sich der Spin-off schon rein rechnerisch gelohnt. Wie erhofft, ist nämlich auch in diesem Fall eins plus eins mehr als zwei. Praktisch über Nacht hat sich der Wert des Engagements um mehr als 10% erhöht. Zudem haben die Altaktionäre jetzt zwei Aktien im Portfolio. Zugegeben, mit der Diversifikation ist es trotzdem nicht allzu weit her, da Thyssenkrupp weiterhin in Rüstung investiert bleibt. Das dürfte für manchen Puristen ein No-Go sein. Doch wer vom Rüstungshype am Kapitalmarkt profitieren möchte, hat nun zusätzlich zum Hoffnungswert Thyssenkrupp ein reinrassiges Defense-Asset im Depot.
Durchgriff gesichert
Für Thyssenkrupp ändert sich auf den ersten Blick nicht allzu viel, wird TKMS dank Mehrheitsbeteiligung doch auch künftig konsolidiert. Allerdings sind die Cash-Größen in der Bilanz des Mutterkonzerns künftig überzeichnet, weil TKMS nicht mehr länger dem Cashpool angehört. Folglich stehen die von der Tochter erwirtschafteten liquiden Mittel nicht mehr zur Verfügung, um andernorts Löcher zu stopfen.
Unstrittig ist, dass TKMS aufgrund der gewählten Rechtsstruktur weiter am Rockzipfel der Mutter hängt. Sprich: Ohne Zustimmung von Thyssenkrupp kann TKMS keine Entscheidungen treffen – zumindest nicht, wenn diese der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Denn die operative Führungsgesellschaft des U-Bootbauers gehört Thyssenkrupp zu 100%. Folgerichtig obliegt die Besetzung des Kontrollgremiums dem Essener Mutterkonzern. Der Aufsichtsrat zählt sechs Köpfe, darunter ist nur ein unabhängiges Mitglied.
Der Bund hat das letzte Wort
Der Durchgriff ist allerdings nur dann ein Problem, wenn die Interessen der Muttergesellschaft von denen der Tochter abweichen. Das dürfte im Tagesgeschäft eher nicht der Fall sein. Einzig die Festlegung der Dividendenhöhe könnte zum Zankapfel werden. Hinzu kommt, dass sich die Bundesrepublik im Rahmen einer Sicherheitsvereinbarung weitgehende Mitspracherechte gesichert hat. Diese könnten sich als viel deutlicherer Eingriff in die Governance von TKMS erweisen. So steht dem Bund zum einen ein Vetorecht zu, wenn es um den Verkauf einer Sperrminorität geht. Zum anderen besitzt der Staat ein Vorkaufsrecht, wenn Thyssenkrupp ein Aktienpaket an TKMS von 5% oder mehr veräußern will.
Wichtigste Errungenschaft aus Sicht beider Gesellschaften ist, dass sich TKMS selbständig am Kapitalmarkt finanzieren kann. Das mag zwar zunächst teurer kommen, weil die Banken höhere Gebühren für Avallinien verlangen – darauf hat TKMS explizit hingewiesen. Doch der Zugang zum Kapitalmarkt ist ein Wert an sich. Investitionen stehen künftig nicht länger unter Finanzierungsvorbehalt des Mutterkonzerns; der konzerninterne Wettstreit der einzelnen Gesellschaften um die knappen Mittel gehört der Vergangenheit an.
Eindeutig positioniert
On top verfügt TKMS mit der Aktie über eine Akquisitionswährung, die bei der erwarteten Branchenkonsolidierung zum Einsatz kommen kann – auch wenn das ferne Zukunftsmusik ist. Entsprechende Vorratsbeschlüsse gab es zumindest schon mal mit auf den Weg. Rheinmetall, die sich jüngst die Marinewerften der Lürssen-Gruppe einverleibte, verfügt zwar über die tieferen Taschen. Doch TKMS als integrierter Lösungsanbieter für die Marineschifffahrt ist stärker spezialisiert. Das ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt.
