KommentarStaatsskretäre

Finanzmarktexpertise in der Bundesregierung im falschen Ministerium

Mit der Neubesetzung des Staatssekretärs für Energiepolitik holt Minister Robert Habeck Hessens „Mister Finanzplatz“ in sein Haus. Dabei könnte mehr Finanzmarktexpertise eher dem Bundesfinanzministerium auf Staatssekretärsebene gut tun.

Finanzmarktexpertise in der Bundesregierung im falschen Ministerium

Staatssekretäre

Verkehrte Welt in Berlin

Von Angela Wefers

Sehr schnell hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach dem Abgang seines umstrittenen beamteten Staatssekretärs Patrick Graichen die Stelle für Energiepolitik wieder besetzt. Sein Amtskollege in Hessen und Parteifreund, Tarek Al-Wazir, gibt seinen erfahrenen Staatssekretär Philipp Nimmermann nach Berlin ab. Habeck vermeidet damit ein Vakuum in seinem Haus. Die unverzügliche Neubesetzung des aktuell wohl wichtigsten energiepolitischen Postens hierzulande hilft zudem, die Diskussion über Interessenverflechtungen im Hause Habeck nicht ewig weiterlaufen zu lassen.

Der Ökonom Nimmermann bringt im Gegensatz zu seinem Vorgänger Verwaltungserfahrung mit – und die Fähigkeit zum Krisenmanagement. Dies kann dem Habeck-Ministerium nur guttun. Einst Chefvolkswirt der BHF Bank mit Fähigkeit zum Weitblick, wickelte Nimmermann im Norden die HSH Nordbank derart ab, dass ihr noch eine Zukunft beschieden war. In Hessen ist er „Mister Finanzplatz“, beschlagen in allen Fragen rund um den Kapitalmarkt. Dies bescheinigt ihm sein aktueller Dienstherr Al-Wazir ebenso wie die Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt in puncto Sustainable Finance.

Welche Verschwendung aber ist es, dass die Finanzmarktexpertise Nimmermanns nun in Detailfragen rund um die Wärmepumpe versinkt. Dabei hätte die Bundesregierung durchaus Bedarf an einem starken Staatssekretär mit Finanzmarkt-Know-how. Zugegeben, im Kanzleramt stellt Jörg Kukies für Olaf Scholz (beide SPD) kundig die Weichen in Finanzmarktfragen. Aber ausgerechnet der für den Finanzmarkt zuständige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Stelle des beamteten Staatssekretärs gerade mit einem lupenreinen Diplomaten besetzt, für den Finanzmarktpolitik Neuland ist. Lindners Parteifreund Heiko Thoms ist seit April im Bundesfinanzministerium für Europapolitik, internationale Finanzpolitik und Finanzmarktpolitik zuständig. Zuletzt war er Botschafter in Brasilien. Auch zuvor gab es keine Berührungspunkte zu seinem aktuellen Aufgabenfeld. Für den Finanzplatz Deutschland, der auch nach Lindners Bestreben international führend mitspielen will, wäre eine andere Personalpolitik wohl hilfreicher. Die Fäden für Finanzmarktfragen im Ministerium hält derzeit vor allem Florian Toncar, FDP-Abgeordneter und parlamentarischer Staatssekretär, in seinen Händen. Seine eigentliche Jobbeschreibung ist auch eine andere: die Brücke zwischen Ministerium und Parlament zu schlagen. Es ist eine verkehrte Staatssekretärswelt in Berlin.

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