Standortfaktor sucht Standort
Notiert in Frankfurt
Standortfaktor sucht Standort
Von Lutz Knappmann
So haben sich die Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule (IGS) Süd den Start ins neue Schuljahr sicher nicht vorgestellt: Statt nach dem Ende der Sommerferien in ihre gewohnten Klassenzimmer zurückzukehren, wird der Unterricht für viele von ihnen an einem fünf Kilometer entfernten Ausweichstandort stattfinden - Shuttlebus inklusive. Denn das IGS-Hauptgebäude im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen ist nicht nur seit Jahren sanierungsbedürftig, sondern mittlerweile einsturzgefährdet und seit ein paar Wochen komplett gesperrt.
Schon ewig kämpfen Lehrer und Eltern für eine Sanierung der unübersehbar maroden Bausubstanz. Im Juli ergab ein Gutachten, dass die Tragfähigkeit der Decken in dem fast 120 Jahre alten Gebäude für einen sicheren Schulbetrieb nicht mehr ausreicht. Nun müssen die jüngeren Klassenstufen kurzfristig nach Bockenheim umziehen, in ein Unterrichtsgebäude, das dafür seinerseits eilig leergezogen werden muss.
Ursprünglich vorgesehene Ersatzräume ebenfalls einsturzgefährdet
Die älteren IGS-Jahrgänge werden wohl ein Jahr später folgen, wenn am Ausweichstandort Container bereitstehen. 2028 soll die Schule dann - wie ursprünglich geplant - in ein langfristiges Ausweichquartier ziehen. Früher steht das nicht zur Verfügung, denn auch diese Räume müssen erst saniert werden und gelten derzeit als einsturzgefährdet. Ein wackeliges System wechselseitiger Abhängigkeiten - symptomatisch für ein chronisch unterfinanziertes Bildungssystem und eine Bildungspolitik, die seit Jahrzehnten auf Verschleiß fährt.
Kein Wunder, dass viele Eltern in Rhein-Main ihren Nachwuchs an Privatschulen schicken, wenn sie es sich leisten können. Doch auch derlei zielgruppenspezifische Bildungseinrichtungen kommen an ihre Grenzen, wie das Beispiel der Europäischen Schule in Frankfurt belegt. Die multilinguale Vorzeigeschule, die vorrangig Kindern von Bediensteten der Europäischen Institutionen, etwa der EZB, offensteht, platzt aus allen Nähten. Die Suche nach einem Neubau-Standort zieht sich seit anderthalb Jahrzehnten hin.
Europäische Schule oder Volksfest?
Noch immer ist unklar, ob die Europäische Schule auch in Zukunft in Frankfurt stehen wird - wie sie es gemäß einer Vereinbarung zwischen Stadt, Land und EU eigentlich müsste. Gerade erst hat der Oberbürgermeister der Nachbarstadt Offenbach ein Grundstück angeboten, um die endlose Suche zu beenden.
Viel lieber aber würden Frankfurts Stadtoberen die Europäische Schule auf dem Festplatz im Nordosten der Mainmetropole bauen. Was infrastrukturell wohl auch problemlos möglich wäre. Nur müsste dafür wiederum ein Ersatzgrundstück gefunden werden, das zwei Mal im Jahr das Volksfest Dippemess und andere Großveranstaltungen beherbergen kann. Was in der endlosen Kaskade von Ausweich- und Ersatzquartieren die nächste, emotionale Standortdebatte auslöst. Während dabei wieder einmal untergeht, dass einer der unbestreitbar wichtigsten Standortfaktoren für eine Metropole wie Frankfurt ein hochwertiges Bildungsangebot ist.