Im BlickfeldFusionen von Regionalbanken

Fusionen gelingen nur, wenn die Chemie stimmt

Personalmangel und Schwierigkeiten, mit der Regulatorik Schritt zu halten, treiben viele kleinere Finanzhäuser in die Fusion. Über deren Gelingen entscheidet, ob die Unternehmenskulturen zusammenpassen, beobachtet die Beratungsgesellschaft ZEB.

Fusionen gelingen nur, wenn die Chemie stimmt

Fusionen gelingen nur, wenn die Chemie stimmt

Personalmangel und Schwierigkeiten, mit der Regulatorik Schritt zu halten, treiben viele kleinere Finanzhäuser in die Fusion. Für deren Gelingen ist entscheidend, ob die Unternehmenskulturen zusammenpassen.

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Die Konsolidierung des deutschen Bankensektors ist in vollem Gange. Allein im kreditgenossenschaftlichen Sektor, der die Hälfte der mehr als 1.300 Finanzinstitute stellt, verschwanden im vergangenen Jahr 25 meist kleinere Volks- und Raiffeisenbanken fusionsbedingt von der Bildfläche. Die Zahl der Sparkassen, die für etwa ein Viertel der deutschen Bankenlandschaft stehen, verringerte sich um fünf auf gut 340.   

Wenn Unternehmenskulturen aufeinanderprallen

Doch in vielen Fällen kommt es nicht zum gewünschten Zusammenschluss, weil zu unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinanderprallen, Mitarbeiter sich nicht genügend eingebunden fühlen oder die Führungskräfte nicht miteinander können – kurzum, schlicht die Chemie zwischen den Partnern nicht stimmt. „Am Ende bleibt die kulturelle Integration von Finanzinstituten als zentrales Thema“, weiß Ralph zur Brügge von der Managementberatung ZEB, der viele Fusionen begleitet hat. "Die verlaufen immer anders, von zäh bis fantastisch war alles dabei.“

Jeder dritte Versuch scheitert

Er schätzt, dass in etwa jedem dritten Fall das Fusionsvorhaben scheitert, wenn Sparkassen oder Genossenschaftsbanken beteiligt sind. Wollen sich Privatbanken zusammentun, geht das seiner Erfahrung nach sogar in etwa jedem zweiten Fall schief. Die Regionalbanken haben ihm zufolge den Vorteil, dass sich ihre Geschäftsmodelle in der Regel sehr ähnlich sind und sie über dieselben Kernbankensysteme verfügen. Zudem haben die Sparkassen mit der Finanz Informatik und die Genossenschaftsbanken mit Atruvia zentrale IT-Dienstleister, die für technische Fusionen, also die Zusammenführung der IT-Systeme, zuständig und darin routiniert sind.

Auch seien viele Häuser fusions- und übernahmeerfahren. Ein – wenn auch extremes – Beispiel ist die Frankfurter Volksbank, die seit 1990 insgesamt 22 Zusammenschlüsse hinter sich gebracht hat. Gut dabei ist beispielsweise auch die Volksbank Mittelhessen in Gießen. Sie bringt es seit vergangenem Jahr auf drei Fusionen mit kleineren Häusern und steht derzeit in Gesprächen mit der Raiffeisenbank im Hochtaunus, die von der Sicherungseinrichtung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) gestützt wird.

Hohe Anforderungen an kulturelle Integration

„Fusionieren ist technisch und organisatorisch einfacher als früher“, befindet zur Brügge. "Allerdings müssen die sich zusammenschließenden Banken sehr darauf achten, ihre Kulturen sinnvoll zu integrieren. Die Anforderungen dafür sind heutzutage wesentlich höher als früher.“ Gerade kleinere Banken flüchteten sich häufig unter das Dach von größeren Häusern, weil es an Personal und Expertise mangele, um den Vorgaben der Regulierer und Aufseher gerecht zu werden, hält ZEB in der Fusionsstudie „Resilient durch Fusion“ fest, die zur Brügge zusammen mit Senior Manager Frank Heitkamp verfasst hat. Das gilt demnach, wenn auch in geringerem Maße, ebenso für die Sparkassen.

„In den vergangenen zehn Jahren hat die Zahl der Sparkassen um durchschnittlich 2% pro Jahr abgenommen“, sagt zur Brügge. Im genossenschaftlichen Sektor war ihm zufolge das Schrumpfungstempo etwa doppelt so hoch. In diesen Größenordnungen dürfte es seines Erachtens auch weitergehen. So rechnet er bei den Sparkassen weiterhin mit einer jährlichen Abnahme von 2%, also etwa sechs bis sieben Institute, und bei den Volks- und Raiffeisenbanken von 4 bis 5%, das heißt um die 30.

In 20 Jahren 1.000 Banken weniger

Dabei spricht die Deutsche Bundesbank von einer gemächlicheren Konsolidierung des Sektors im Jahr 2024. In der Tat kontrastieren die unter dem Strich insgesamt 35 Abgänge von Volks- und Raiffeisenbanken, Sparkassen, Privat- und sonstigen Banken deutlich mit den 55 im Jahr 2023 und den 61 im Jahr zuvor. Ende 2024 bestanden demnach 1.368 Kreditinstitute in Deutschland. Zum Vergleich: 20 Jahre zuvor gab es mit 2.400 noch gut 1.000 Banken mehr.  

Der Fusionstrend ist seit Jahrzehnten ungebrochen, nur das Tempo variiert, und die Motive ändern sich. „Genau genommen ist Resilienz momentan der Haupttreiber für eine Fusion unter Regionalbanken. Das bedeutet, das Personal zu halten und die Regulatorik zu beherrschen“, bemerkt zur Brügge. Lautete bis 2022 die Devise, möglichst wohlbehalten durch die Niedrigzinsphase zu kommen, so hat sich das seiner Aussage zufolge seit 2022/23 komplett gedreht: Die gute Ertragslage bei den Regionalinstituten sei durch die Personalfrage in den Schatten gestellt worden. „Hauptthema ist nicht mehr, Kosten zu sparen, sondern genügend Leute an Bord zu halten.“

Personalmangel besonders in der Provinz ausgeprägt

Als besonders schwierig erweise sich die Personalsituation jenseits der Metropolen: „Regulatorik belastet eher kleine Institute, vor allem in den Regionen. Dort sind teilweise kaum noch qualifizierte Mitarbeiter zu finden“, hat zur Brügge festgestellt. Die Großbanken hingegen müssten keine drastischen Abgänge im Zuge des demografischen Wandels befürchten, da sie in den vergangenen Jahren immer wieder Personalentlassungen vorgenommen hätten, die Ältere trafen. Anders gestalte sich etwa die Situation bei den Sparkassen, wo in den nächsten 15 Jahren die Hälfte der Beschäftigten in den Ruhestand gehe.

Auch Schieflagen als Grund

Abgesehen von Regulatorik und demografischem Wandel können auch Schieflagen mitunter ein Grund für Fusionen sein, wie in der genossenschaftlichen Finanzgruppe zu beobachten ist. Es handele sich jedoch um einen eher zu vernachlässigenden Faktor, sagt zur Brügge. Auch sei der genossenschaftliche Sektor mittlerweile sehr sensibilisiert gegenüber Problemfällen und agiere schnell, um etwa mittels Fusionen, flankiert von Garantien der Sicherungseinrichtung des BVR, Lösungen herbeizuführen.

Aktuelle Beispiele für Notfusionen sind, abgesehen von der Raiffeisenbank im Hochtaunus, die Volksbank Dortmund-Nordwest, die sich zur Dortmunder Volksbank rettet und die Volksbank Düsseldorf Neuss, die von der Volksbank Krefeld aufgefangen werden soll. Hier hebe sich der genossenschaftliche Sektor von den Sparkassen ab, führt zur Brügge aus. Denn diesen sei es gelungen, sich trotz der einen oder anderen schwierigen Phase in der Regel gut zu stabilisieren.

Das liegt ihm zufolge zuvorderst an der durchschnittlichen Größe. Wer mehr Bilanzsumme auf die Waage bringt, verfügt grundsätzlich auch über mehr operative Kraft und Kapitalpuffer. Das verleihe gewichtigeren Instituten in der Regel eine höhere Stabilität als deutlich kleineren, sollte die Risikovorsorge hochgefahren werden, weil Immobiliengeschäfte wackeln oder ein größerer Firmenkunde schwankt. „Größere Institute schmerzt das natürlich auch, aber sie können das eher verkraften als Banken, die mit anderthalb Milliarden Euro Bilanzsumme unterwegs ist“, veranschaulicht zur Brügge.

Hang zur Größe

Betrug die durchschnittliche Bilanzsumme einer Genossenschaftsbank im vergangenen Jahr knapp 1,8 Mrd. Euro, so war es bei den Sparkassen mit rund 4,4 Mrd. Euro mehr als doppelt so viel. Bei den Genossenschaftsbanken hat sich allerdings die Zahl jener, die über mehr als 10 Mrd. Euro Bilanzsumme verfügen, zwischen 2020 und 2024 von acht auf 20 mehr als verdoppelt. "Diese Entwicklung dürfte sich fortschreiben“, prognostiziert zur Brügge. Verschmelzen kleinere Banken und Sparkassen also eher aus einer Überforderung heraus, Regulatorik zu stemmen und Personalbedarf zu decken, so ist die Motivation bei größeren Instituten in der Regel, ihre Position als regionaler Platzhirsch auszubauen.

Weniger Kosten, höheres Ergebnis

Fusionen und Übernahmen hält zur Brügge für geeignete und sinnvolle Maßnahmen, um den Herausforderungen, denen sich kleinere Institute ausgesetzt sehen, zu begegnen. Sein Fazit lautet, dass sie sich auch betriebswirtschaftlich rechnen – für Sparkassen noch ein bisschen mehr. So zeigen die ZEB-Berater in ihrer Studie auf, dass Sparkassen innerhalb von vier Jahren nach ihrer Fusion eine um 3,42 Prozentpunkte niedrigere Cost-Income-Ratio und ein um 0,09 Prozentpunkte, also neun Basispunkte, höheres Betriebsergebnis vor Bewertung ausweisen als nicht fusionierte Institute in diesem Zeitraum. Genossenschaftsbanken verbessern sich um demnach 1,29 bzw. 0,02 Prozentpunkte. Vor Bewertung beträgt die durchschnittliche Cost-Income-Ratio einer Sparkasse in Deutschland 54%.

Die Bruttobedarfsspanne, die die Aufwendungen ins Verhältnis zur durchschnittlichen Bilanzsumme setzt und als ein weiteres Maß der Effizienz dient, verringert sich drei Jahre nach einer Fusion bei genossenschaftlichen Häusern im Schnitt um 0,08% und bei Sparkassen um 0,05%. Das Gros von Einsparungen machen freilich Personalkosten aus.