LeitartikelCorporate Governance

Gewaltenteilung tut Amerikas Konzernen gut

In Corporate America konzentriert sich viel Macht auf den CEO. Gerade der Finanzsektor täte gut daran, für mehr Gewaltenteilung zu sorgen.

Gewaltenteilung tut Amerikas Konzernen gut

Governance

Entfesselt den Verwaltungsrat!

Von Alex Wehnert

In Amerikas Unternehmen konzentriert sich viel Macht auf den CEO. Gerade der Finanzsektor täte gut daran, für eine stärkere Gewaltenteilung zu sorgen.

Corporate America muss seine Governance in einem Umfeld, in dem der politische Druck auf Unternehmen wächst, dringend stärken. Dafür haben US-Konzerne ein Mittel parat, das auf der obersten Management-Etage oft aber auf wenig Gegenliebe stößt: Die Trennung des Vorstands- vom Verwaltungsratsvorsitz. Noch immer besetzen 40% der Gesellschaften im S&P 500 beide Posten in Personalunion. Gerade in weiten Teilen des Finanzsektors genießt der CEO über seine Rolle als Chairman kaum eingeschränkte Macht – indem Amerikas führende Banken diese Doppelfunktion auflösen, können sie ihre internen Kontrollen stärken und ihr Kapital sicherer einsetzen.

Risikolust bei Private Credit

Dass dies notwendig ist, lässt sich angesichts der gewachsenen Kreditrisiken auf den Bilanzen, die infolge der Insolvenz des Autoteile-Anbieters First Brands Group zutage treten, kaum von der Hand weisen. Das Dickicht der Banken und Vermögensverwalter, die über Fonds und Darlehensstrukturen in die Pleite verstrickt sind, ist selbst für erfahrene Wall-Street-Trader schwierig zu durchblicken. Der Kollaps von First Brands wirft damit ein Schlaglicht auf die Gefahren der ausgeweiteten Private-Credit-Aktivitäten, zu denen viele allzu breitbeinig auftretende CEOs ihre Geldhäuser angetrieben haben.

Auch Charlie Scharf, Vorstandschef von Wells Fargo, hat zuletzt nicht nur größere Ambitionen im Investment Banking, sondern auch an den Private Markets durchblicken lassen. Der Manager hat das Haus seit seinem Amtsantritt 2019 erfolgreich aus den Untiefen regulatorischer Konflikte gesteuert – wie im Juli angekündigt will ihn Wells Fargo dafür nicht nur mit einem dicken Bonus, sondern auch mit dem Verwaltungsratsvorsitz belohnen. Die Non-Profit-Organisation The Accountability Board fordert dagegen, den Chairman-Posten mit einem unabhängigen Direktor zu besetzen. Der Aktionär leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer Debatte, die bereits Goldman Sachs, Bank of America und andere Institute beschäftigt hat. Trotz wachsender Unterstützung für Anträge von Anteilseignern, die auf eine Trennung der CEO- und Chairman-Rollen pochen, ist es den Instituten bisher gelungen, die Macht weiter in einer Hand zu konzentrieren.

Doppelrolle kann Vorteile bringen

Natürlich gibt es Argumente, die für eine Kombination des Vorstands- und Verwaltungsratsvorsitzes sprechen. So kann eine starke Führungspersönlichkeit einen Konzern einfacher durch eine komplexe Transformation steuern. Und richtig eingesetzt kann diese Machtkonzentration dazu führen, dass ein Manager einen Vertrauensvorschuss bei Anlegern genießt. Bei J.P. Morgan ist CEO und Chairman Jamie Dimon nicht nur Gesicht der Bank, sondern auch eine Art Außenminister des US-Finanzsektors, der bei Verwerfungen wie der Regionalbankenkrise 2023 zum Stabilisator werden kann. Allerdings zollt das Geldhaus dem Sonderstatus des Chefs auch mit dem Versprechen Tribut, die Rollen nach einem möglichen Rücktritt Dimons zu trennen.

Eine Auflösung der Doppelrolle von CEO und Chairman garantiert sicher keine unabhängige interne Kontrolle. Das beste Beispiel dafür ist Tesla: Vorstandschef Elon Musk musste den Verwaltungsratsvorsitz nach einem Vergleich mit der Börsenaufsicht SEC wegen mutmaßlicher Irreführung von Investoren räumen. Doch seither macht der Verwaltungsrat von Tesla weniger den Eindruck eines funktionierenden Kontrollorgans, sondern den eines Marionettengremiums, das Musks Eskapaden willfährig mitträgt. So haben die Direktoren den CEO auf seinem irrlichternden politischen Kurs mit exzessiven Vergütungen bestärkt und damit dazu beigetragen, das Markenimage des E-Autobauers bei seiner liberalen Kernkundschaft zu zerstören.

sEffektiverer Kapitaleinsatz nötig

Gerade der Fall Tesla zeigt indes, warum Corporate America gut daran tut, den Verwaltungsrat zu entfesseln. Denn durch mehr Unabhängigkeiten der Direktoren können Unternehmen Risikokontrollen und die Verantwortlichkeit der operativen Leitung stärken. Zugleich erlauben sie es dem CEO, sich stärker auf das Tagesgeschäft zu fokussieren. All dies fördert einen effektiveren Kapitaleinsatz als übergeordnetes Ziel guter Governance.