First-Brands-Pleite verdeutlicht Komplexität des Verbriefungsgeschäfts
First-Brands-Pleite verdeutlicht Komplexität des Verbriefungsgeschäfts
Die spektakuläre Pleite des US-Autozulieferers First Brands verdeutlicht die Komplexität des Geschäfts mit Verbriefungen. Der rasante Aufstieg von Private Credit trug dazu bei, dass kaum noch nachvollziehbar ist, in wessen Portfolio verbriefte Forderungen und Kredite für Akquisitionen landen. Am Freitag veröffentlichte Morningstar Research eine Liste von mehr als 200 Fonds mit Exposure zu First Brands. Obwohl Morningstar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, findet sich so gut wie jeder darauf, der im Assetmanagement Rang und Namen hat.
Ein Name zu viel
Doch ganz aktuell können solche Listen allerdings nie sein. Mit dem M&G Corporate Credit Opportunities, einem European Long-Term Investment Fund (ELTIF) stand zunächst ein Name zu viel auf der Liste. Morningstar musste die Angabe korrigieren, dass der Fonds mit rund 1% seines Vermögens in First-Brands-Verbriefungen investiert sei. Tatsächlich ist M&G aber schon vor dem Insolvenzantrag des Autoteileherstellers komplett aus dem Investment ausgestiegen.
Als das US-Unternehmen Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 stellte, war es zunächst nicht in der Lage, das Volumen seiner größtenteils aus schuldenfinanzierten Akquisitionen stammenden Verpflichtungen anzugeben. Ab 2019 tätigte das damals noch als Trico Group bekannte Unternehmen eine ganze Reihe von Zukäufen, darunter Brake Parts, Champion Laboratories, Horizon Global und Cardone Industries.
Jefferies-Tochter hält verbriefte Forderungen
Das größte Exposure zur First-Brands-Pleite hat offenbar die US-Investmentbank Jefferies. Ihre Tochter Point Bonita Capital, die rund 3 Mrd. Dollar an „Trade-Finance Assets“ managt, hält Forderungen von First Brands im Volumen von 715 Mill. Dollar. Das ist mehr als ein Fünftel des verwalteten Vermögens. Dem Institut zufolge handelt es sich dabei um Rechnungen, die von Kunden wie Walmart, Autozone, O’Reilly Auto Parts, und Advanced Auto Part zu begleichen sind.
First Brands nahm bis zum 15. September die Zahlungen ihrer Kunden entgegen und reichte sie an Point Bonita Capital weiter. Wie Jefferies mitteilt, wird dem Insolvenzantrag zufolge bei First Brands geprüft, ob Zahlungen zeitgerecht abgeführt wurden und ob Forderungen mehr als einmal verkauft wurden. Point Bonita Capital gehört zur Jefferies Tochter Leucadia Asset Management, die damit wirbt, dass ihre Kunden an der Seite der US-Investmentbank investieren können.
UBS mit im Boot
Damit nicht genug: Über Apex Credit Partners, eine Tochter der Jefferies Finance LLC, kommt ein Exposure von 48 Mill. Dollar aus syndizierten Krediten hinzu. Alles in allem belaufen sich die Assets der auf CLOs (Collateralized Loan Obligations) spezialisierten Apex Credit Partners auf 4,2 Mrd. Dollar. Die Schweizer UBS ist über einen Lieferketten-Finanzierungsfonds in den Fall verstrickt, in den vor allem US-Investoren rund 500 Mill. Dollar investiert haben.
Risiko trifft weniger erfahrene Anleger
Der Zusammenbruch von First Brands unterstreiche die Risiken von Privatmarktinvestitionen, ließ sich Kenneth Lamont von Morningstar zitieren. Das schnelle Wachstum von semi-liquiden Vehikeln wie ELTIFs mache private Assets einem breiteren und oft weniger erfahrenen Anlegerkreis, einschließlich privaten Investoren zugänglich. „Zwar gab es auch an den öffentlichen Märkten Finanzskandale", räumte er ein. Aufgrund ihrer Intransparenz und strukturellen Komplexität sei das Anlagerisiko von Privatmarktinvestitionen jedoch ungleich höher. Auch wenn das Ansteckungsrisiko begrenzt sei, warnt Morningstar vor einem Vertrauensverlust. „Ein breiterer Ausverkauf privater Kredite und massive Rücknahmen würden diese Vehikel ihrer ersten echten Bewährungsprobe aussetzen.“
Auch die deutsche Bankenaufsicht treibt das Thema um. „Wir haben die Märkte für Private Debt und Private Equity schon seit einiger Zeit als mögliche Schwachstellen für deutsche Versicherer und Banken im Fokus", sagte ein BaFin-Sprecher am Freitag. Angesichts der wirtschaftlichen Lage müssten sich Banken und Versicherer mit steigenden Kreditausfallrisiken auseinandersetzen. Die Risiken aus alternativen Kapitalanlagen, etwa aus Investitionen in Private Debt oder Private Equity, seien deshalb bereits Teil der Aufsichtsschwerpunkte 2025. Angesichts der enger gewordenen Beziehungen zwischen Banken und unregulierten Finanzintermediären werde das Thema verstärkt in den Fokus der Aufsicht rücken.
Kreditversicherer im Fokus
Kreditversicherer sind bei Großpleiten ebenfalls im Fokus. Dass die First-Brands-Insolvenz größere Ausfälle verursacht, ist jedoch keineswegs ausgemacht. Zwar dürften Adressen wie Coface, AIG und Allianz dort engagiert sein, wie die „Financial Times“ berichtete. Jedoch werden Kreditversicherer gerade bei einer Adresse wie First Brands häufig frühzeitig drohenden Finanzproblemen gewahr. Denn wenn Zahlungen überfällig sind, werden sie in der Regel informiert. Häufen sich derartige Meldungen im Vorfeld einer Insolvenz, senken die Versicherer ihr Exposure – so wie es auch in diesem Fall geschehen sein sollte.
Stichwort Lieferkettenfinanzierung
Die Pleite von Greensill Capital hat 2021 Lieferkettenfinanzierungs-Fonds in Misskredit gebracht. An sich ist das Instrument allerdings nicht unseriös. Lieferkettenfinanzierung hilft Unternehmen bei der Optimierung ihres Working Capitals. Der Lieferkettenfinanzierer bezahlt dessen Lieferanten frühzeitig – bisweilen schon vor dem vereinbarten Liefertermin. Das Unternehmen behält die vereinbarten Zahlungsziele bei, was ihm mehr finanzielle Flexibilität verschafft. Greensill hatte das Geschäftsmodell allerdings überdehnt, indem es zum Teil noch nicht vereinbarte Stahllieferungen vorfinanzierte – zu Preisen, die später unter Druck gerieten. Für Banken hat das Geschäft wegen gestiegener Eigenkapitalanforderungen an Attraktivität verloren. Diese Lücke schließen zunehmend Private-Credit-Investoren. Die realwirtschaftlichen Transaktionen bieten ihnen attraktive, kurzfristige Renditen. Wie bei Verbriefungen federt die damit einhergehende Verteilung des Ausfallrisikos auf viele Kreditgeber die negativen Folgen aus Großinsolvenzen für das Finanzsystem ab.
First-Brands-Pleite schlägt Wellen
Morningstar zählt mehr als 200 Anlagevehikel mit Exposure gegenüber dem US-Autozulieferer – Privatkredite rücken in den Fokus der BaFin
Die Insolvenz von First Brands zeigt die Grenzen einer breiten Risikostreuung durch Verbriefungen. Zwar sind die Exposures der von Morningstar aufgezählten mehr als 200 Anlagevehikel meist geringfügig. Doch bei der Jefferies-Tochter Point Bonita Capital ist es mehr als ein Fünftel des verwalteten Vermögens.