In Amerikas Bankentürmen geht die Angst um
In Amerikas Bankentürmen geht die Angst um
In Amerikas Bankentürmen geht die Kredit-Angst um
Die Risiken in den US-Kreditportfolios überschatten die positiven Impulse im Kapitalmarktgeschäft. Analysten warnen, dass die viel beachteten Insolvenzen von First Brands und Tricolor keine isolierten Fälle darstellten.
Von Alex Wehnert, New York
Während die Dealmaker, Underwriter und Trader der Wall Street aus allen Rohren feuern, sorgt der Blick auf die Kreditportfolios von Amerikas Banken bei Investoren für wachsende Unruhe. Zwar treiben der Boom um künstliche Intelligenz die Finanzmärkte und damit die Gebühreneinnahmen von Häusern wie J.P. Morgan, Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs und Morgan Stanley aus dem Investmentbanking noch stärker an als von optimistischen Analysten erwartet. Auch sorgt die Politik von US-Präsident Donald Trump für Volatilität am Anleihemarkt, die den New Yorker Handelsdesks ein florierendes Geschäft beschert.
Doch die folgenreichen Insolvenzen des Autokreditanbieters Tricolor Group und des Autoteile-Lieferanten First Brands werfen ein Schlaglicht auf unterschätzte Systemrisiken in den Bankbilanzen. Diese drohen nach Ansicht von Branchenkennern einige der größten Häuser noch vor schwere Herausforderungen stellen – und ihre mittelgroßen Wettbewerber ohnehin.
Drang ins Risiko
Denn Amerikas Finanzinstitute haben ihre Kreditvergabe in den vergangenen Jahren ausgeweitet und auf der Jagd nach höheren Returns auf intransparente Private-Markets-Strukturen gesetzt. Das Volumen der Kredite an Intermediäre ohne Einlagengeschäft (NDFI) hat sich nach Daten der Federal Reserve und der Einlagensicherung FDIC zuletzt auf 1,38 Bill. Dollar ausgeweitet, nachdem es vor zwei Jahren noch bei unter 800 Mrd. Dollar lag. Das Problem: Die Private-Markets-Vehikel, Hedgefonds und Kreditdienstleister, an die diese Mittel fließen, sind im Vergleich zu klassischen Geschäftsbanken wesentlich schwächer reguliert, ihre Aktivitäten für den breiten Markt intransparenter.

Laut dem Analysedienst BankRegData spielt bei dem Anstieg auch eine Neuklassifizierung von Krediten eine Rolle, die mit einer Regulierungsumstellung zum vierten Quartal 2024 notwendig wurde. Vorher hätten Institute viele Kredite, die an Schattenbanken gingen, noch recht großzügig als kurzfristige Unternehmens- oder Industriefinanzierungen ausweisen können. Das ändere sich nun – allerdings nicht so unmittelbar, wie es bei einer solchen regulatorischen Änderung zu erwarten gewesen wäre. Bei Banken wie PNC Financial ließen die Daten darauf schließen, dass diese erst verzögert reagierten. Bei dem Geldhaus aus Pittsburgh stieg das Volumen der NDFI-Kredite auf die Neueinstufung der Fed zunächst einmal gar nicht, um dann im zweiten Quartal des laufenden Jahres in die Höhe zu springen.
„Wir werden definitiv noch viele Reklassifizierungen in sehen“, prognostiziert Moreland. Dies verdeutliche aber, dass „wir vielleicht gar nicht so genau wissen, was noch auf den Bankbilanzen liegt“, mahnt der BankRegData-Gründer. Es stehe zu erwarten, dass gerade Banken mit schnellem Wachstum in alternativen Kreditkanälen noch größerer Ärger drohe. Der Fall Tricolor mache schließlich deutlich, wie riskant diese Kredite seien.
Betrugsvorwürfe kursieren
Das texanische Unternehmen stellte am 10. September einen Antrag auf Liquidation nach Chapter 7. Tricolor vergibt und verbrieft Konsumentenkredite und ist im Gebrauchtwagenhandel aktiv. Sie soll bei mehr als 25.000 Gläubigern in der Kreide stehen. J.P.Morgan nahm im dritten Quartal eine Abschreibung von 170 Mill. Dollar vor, die mit der Tricolor-Insolvenz in Verbindung steht. Fifth Third Bancorp legte im September offen, den Großteil eines 200 Mill. Dollar schweren Kredits an die Firma abschreiben zu müssen. Timothy Spence, CEO der Regionalbank, sprach kurz darauf recht unverblümt von Problemen mit einem Schuldner, dessen Besicherungsdokumente „in signifikantem Ausmaß betrügerische Angaben“ enthielten.
Noch vertrackter ist die Lage bei First Brands. Der Autoteile-Anbieter aus Ohio war bei seinem Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 11 Anfang September nicht einmal in der Lage anzugeben, welches Volumen seine Verpflichtungen haben, die zum Großteil aus schuldenfinanzierten Akquisitionen stammen. Das Dickicht der von der Insolvenz betroffenen Finanzdienstleister ist selbst für erfahrene Analysten schwer zu durchblicken.
Weitreichendes Exposure
Das größte Exposure besitzt wohl die Investmentbank Jefferies, deren Tochter Point Bonita Capital entlang der Kundenkette von First Brands Kredite im Volumen von 715 Mill. Dollar verteilt hat. Die Regionalbank Western Alliance steckt wiederum über Leverage-Fazilitäten, die sie Jefferies bereitgestellt hat, mit in der Klemme. Blackrock versucht unterdessen, sich ihre in dem betroffenen Fonds des New Yorker Investmenthauses hinterlegten Mittel zurückzuholen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Richard Drew
Die UBS hat über verschiedene Vehikel Anlegermittel im Volumen von 516 Mill. Dollar bei First Brands investiert. Das Tradinghaus Cantor Fitzgerald will deshalb einen Deal zu Übernahme des Fonds UBS O'Connor neu verhandeln. Und ein Joint Venture zwischen der japanischen Norinchukin Bank und Mitsui hat ein Exposure von 1,75 Mrd. Dollar gegenüber First Brands. Morningstar hat eine Liste mit über 200 Fonds veröffentlicht, die von der Pleite betroffen sein sollen.
Scharfe Kritik an Instituten
BankRegData-Gründer Bill Moreland bezeichnet die Annahme, dass es sich bei den Zusammenbrüchen von First Brands und Tricolor um isolierte Fälle handelt, für „Wunschdenken“. Gerade in Bezug auf letztgenanntes Unternehmen übt er scharfe Kritik an den beteiligten Instituten und ihren Aufsichtsbehörden: „Das wirft die Frage auf, wie es großen Banken erlaubt sein konnte, mehrere 100 Mill. Dollar an einen Intermediär zu verleihen, dessen Schuldner noch nicht einmal über Sozialversicherungsnummern, Bonitätsscores und Führerscheine verfügten.“
Hätten die gleichen Banken die betreffenden Darlehen über ihre Filialen vergeben, hätten Regulatoren und der Markt von vornherein vermutlich nicht mit vergleichbarem Wohlwollen auf die Finanzierungen geblickt. „Wir sollten jetzt langsam alle verstehen, dass genau das der springende Punkt ist“, sagt Moreland. Soll heißen: Banken nutzten Transaktionen über schwächer regulierte Intermediären ohne Einlagengeschäft vor allem, um ohne vergleichbare Rechenschaftspflichten wie im klassischen Kreditgeschäft größere Risiken einzugehen.
Kakerlaken schwärmen aus
Einige Wall-Street-Vertreter suchen Probleme durch die ungehemmte Kreditvergabe der US-Banken herunterzuspielen. Doch Jamie Dimon, CEO von J.P. Morgan, warnte in einer Analystenschalte zu den Quartalsergebnissen seines Hauses vor weiteren möglichen Verlusten am breiten Credit-Markt. „Wenn man eine Kakerlake sieht, sind wahrscheinlich noch weitere unterwegs“, sagte der CEO.
Tatsächlich hat Zions Bancorp am Donnerstag vermeldet, zwei Kredite im Volumen von 50 Mill. Dollar als Ausfall verbuchen zu müssen, und klagt gegen die Investmentfonds Cantor II und Cantor IV. Diese hätten revolvierende Kreditfazilitäten im Volumen von über 60 Mill. Dollar genutzt, um in notleidende Gewerbeimmobilienkredite zu investieren. Western Alliance will sich indes rund 100 Mill. Dollar von Cantor Group V zurückholen, die vom gleichen Führungsteam geleitet wird wie die anderen beiden Vehikel. Die Aktien von Regionalbanken gingen nach den Bekanntmachungen auf Talfahrt. In Amerikas Bankentürmen droht sich die Angst nun also noch auszubreiten.