KommentarTech-Riesen

Investoren im Hier und Jetzt

An der Wall Street stehen im Rahmen der Zahlenvorlage von Alphabet und Microsoft weniger hochfliegende KI-Ambitionen, sondern vielmehr die bisherigen Wachstumsmotoren im Fokus. Diese Rückbesinnung der Investoren ist durchaus sinnvoll.

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Investoren im Hier und Jetzt

Von Alex Wehnert

Bei allem Hype um das Zukunftsthema künstliche Intelligenz (KI) unterstreicht die Reaktion auf die Quartalszahlen der US-Technologieriesen doch, dass die Börsianer im Hier und Jetzt leben. So herrscht an der Wall Street Enttäuschung darüber, dass die kurzfristigen Prognosen von Microsoft hinter den Erwartungen zurückbleiben – und mit dem Cloud Computing der wichtigste Wachstumsmotor des Softwarekonzerns ins Stottern gerät.

Die Erlössteigerung um 26% gegenüber Vorjahr nimmt sich zunächst zwar wie ein robuster Zuwachs aus, im Vergleich mit Raten von 50% aus den Boomzeiten des Geschäfts mit Daten- und Rechenzentren wirkt sie allerdings eher ernüchternd. Zugleich überzeugt Alphabet, mit der sich Microsoft eine Schlacht um die KI-Vormachtstellung liefert, die Anleger nicht etwa mit hochfliegenden Zukunftsprognosen. Vielmehr goutieren die Investoren, dass die Google-Mutter im Suchmaschinengeschäft trotz eines durch knappe Liquidität geprägten Umfelds besser abschnitt als prognostiziert.

Ambitionen bei künstlicher Intelligenz und die Strategie von Alphabet und Microsoft im Suchmaschinenmarkt sind natürlich eng miteinander verwoben. Nichtsdestotrotz: Eine stärkere Konzentration der Anleger auf die Geschäftsfelder, die für die Technologieriesen schon heute und nicht in einer hypothetischen Zukunft maßgebliche Einnahmequellen sind, ist durchaus sinnvoll.

Denn die Konzerne sind zwar außerordentlich liquide – Microsoft generiert jährlich nahezu 60 Mrd. Dollar an freiem Cashflow, bei Alphabet sind es 71 Mrd. Dollar. Doch diese Mittel braucht es auch, um die Bemühungen in Bezug auf KI und andere Hoffnungsfelder zu finanzieren. Über die vergangenen vier Quartale beliefen sich die Investitionsausgaben beider Unternehmen jeweils auf über 28 Mrd. Dollar. Das ist mehr, als drei Viertel der Unternehmen im S&P 500 jährlich an Umsatz erzielen.

Der Trend geht bei den Tech-Riesen eher in Richtung höherer Aufwendungen, zum Beispiel für hochleistungsfähige Halbleiter als Grundlage der KI-Anwendungen. Und während sich der Chipkonzern Nvidia infolge des Hypes um lernfähige Algorithmen kurzfristig starkes Wachstumspotenzial verspricht, müssen Alphabet und Microsoft erst beweisen, dass ihre Textgeneratoren zu bedeutenden Erlössteigerungen beitragen können. Der Windows-Konzern setzte für die Nutzung des KI-Assistenten zu seiner Office-Produktsuite zuletzt zwar einen höheren Preis fest als erwartet. Dass die Zahlungsbereitschaft der Firmenkunden entsprechend ausfällt, ist damit aber nicht gesagt.

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