Japan zieht rote Linie für Zoll-Deal mit Trump
Im Blickfeld
Japan zieht rote Linie für Zoll-Deal mit Trump
Bei den Verhandlungen bricht Tokio aus der zugedachten Opferrolle des „braven Verbündeten“ aus und riskiert sogar ein Scheitern.
Von Martin Fritz, Tokio
Japan reagierte zunächst beschwichtigend, nachdem US-Präsident Donald Trump am 2. April seine „reziproken“ Zollsätze für 90 Länder verkündet hatte, darunter 24% für Waren aus Japan. Die Regierung in Tokio drohte nicht mit Gegenzöllen, nannte die Erhöhungen „bedauerlich“ und erhoffte sich Ausnahmeregeln. Die zahme Reaktion dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum Trump Japan als Vorreiter für die Zollverhandlungen auswählte, in Erwartung schneller und großer Konzessionen, die andere Länder zum Nachziehen veranlassen würden. Der unerfahrene Chefunterhändler Ryosei Akazawa machte gute Miene zum bösen Spiel, als er am Schreibtisch von Trump eine rote MAGA-Mütze aufsetzte, die ihm der Präsident überreicht hatte.
Autozölle sind „inakzeptabel“
Doch dann schaltete Japan plötzlich auf stur. Bei beiden Treffen mit US-Finanzminister Scott Bessent über eine Verringerung des US-Handelsdefizits mit Japan von 68 Mrd. Dollar konzentrierte sich Akazawa auf eher nebensächliche Punkte, die Trump in seinen Tiraden gegen Japan erwähnte, zum Beispiel japanische Sicherheitsvorschriften für US-Autoimporte. Ansonsten verfolgte er eine klare Verzögerungstaktik.

Als sich beim zweiten Gespräch am 2. Mai herausstellte, dass die US-Seite nur über die reziproken Zölle und nicht über die 25%-Extrazölle für Autos verhandeln will, verkündete Premier Shigeru Ishiba, dass diese Zölle „absolut inakzeptabel“ seien. Akazawa sekundierte, dass die Autozölle zu einer Paketlösung dazugehörten. Dadurch verliere ein Autohersteller, vermutlich Toyota, pro Stunde 1 Mill. Dollar, erklärte der Unterhändler. Der Hintergrund: 28% der japanischen Exporte in die USA sind Autos und Autoteile.
Oberhauswahl im Juli im Blick
Der konservative Premier dürfte sich darüber im Klaren sein, dass er mit seiner roten Linie ein Scheitern der Verhandlungen riskiert. Man könnte meinen, Ishiba wolle vor der Oberhauswahl im Juli den Eindruck erwecken, dass seine Liberaldemokratische Partei die nationalen Interessen verteidigt. Aber er hat noch andere Gründe, sich öffentlich so festzulegen.
In Tokio herrscht inzwischen die Überzeugung, dass letztlich nur der Finanzmarkt Trump zähmen kann, seien es hohe Anleiherenditen oder eine Baisse an der Wall Street. Japan änderte denn auch seine Verhandlungsstrategie um 180 Grad, nachdem Trump unter dem Eindruck des Renditesprungs am US-Staatsanleihenmarkt die reziproken Zölle für 90 Tage aussetzen musste.
Vertrauen in Trump verloren
Ein zweites starkes Motiv für die härtere Gangart: Die Regierung vertraut nicht darauf, dass Trump einen neuen Deal einhalten würde. Als die USA und Japan während seiner ersten Amtszeit 2019 ein Handelsabkommen schlossen, versprach Trump dem damaligen Premier Shinzo Abe, dass er weder die Autoimportzölle erhöhen noch „Section 232“ (Sicherheitsvorbehalt) anwenden werde, um dieses Versprechen zu umgehen. Dessen ungeachtet verzehnfachte Trump den Importzoll für Autos zum 3. April und für Autoteile zum 3. Mai auf 25% und begründete die Schritte mit der nationalen Sicherheit.
„Trumps wiederholter Verrat bedeutet für Tokio, dass es keine neuen Zugeständnisse machen soll. Einmal zerstörtes Vertrauen lässt sich nicht so leicht wiederherstellen“, schreibt der Japan-Ökonom Richard Katz. Zwar milderte Trump vergangene Woche die Importzölle für Autoteile ab, um den Herstellern Zeit für den Umbau ihrer Lieferketten zu verschaffen. Sie erhalten nun den Zoll auf importierte Teile teilweise zurück. Aber die Fahrzeuge müssten im ersten Jahr zu 85% und im nächsten Jahr zu 90% aus in den USA oder Kanada hergestellten Teilen bestehen, um den Importzoll ganz auszugleichen. Auch erheben die USA ab dem 14. Oktober eine Gebühr von 150 Dollar je Fahrzeug, das mit einem nichtamerikanischen Schiff ankommt. Japan ist der größte US-Autoimporteur auf dem Seeweg.
Japans Warnung an China
Die japanische Regierung befürchtet auch, dass China der große Gewinner des Handelskrieges sein wird, weil Trump mit seinen Erpressungszöllen Amerikas Freunde und Verbündete gegen die USA aufbringt. Wegen der großen militärischen Abhängigkeit von den USA will Japan sich bei den Zöllen bisher nicht mit anderen Ländern gegen Trump verbünden. Andererseits will Tokio es Peking nicht durchgehen lassen, sich als Verteidiger des regelbasierten Handels aufzuspielen.
Finanzminister Katsunobu Kato warnte China davor, seine Waren zu Schleuderpreisen auf andere Märkte umzuleiten. Dies würde die japanische Industrie schädigen und Japan beim langjährigen Kampf des Landes gegen die Deflation zurückwerfen. „Chinas Produktionskapazitäten übersteigen die Binnennachfrage erheblich“, sagte Kato dem „Wall Street Journal“. „Diese werden exportiert werden, und bis zu einem gewissen Grad wird es ihnen egal sein, welchen Preis sie dafür erzielen.“ Japan werde den Warenfluss sorgfältig beobachten und angemessen reagieren, sagte er, ohne Einzelheiten zu nennen.
„Autoimporte beschränken“
Washington argumentiert, dass die Autozölle weltweit gälten, daher könne man Japan keine Sonderbehandlung gewähren. Tokio bewertet dieses Argument als Ausrede. In Wirklichkeit gehe es Trump nicht um einen besseren Zugang der US-Autobauer zum japanischen Markt. Die „Detroit Three“ GM, Ford und Chrysler haben den Export nach Japan nämlich de facto längst aufgegeben, weil sie keine Modelle in Kompakt- und Mittelklassegröße und mit Hybridmotor herstellen, die die meisten Japaner bevorzugen. Diese Umstände hindern die Autobauer und die Gewerkschaft United Auto Workers Union (UAW) nicht daran, den niedrigen Absatz als Vorwand zu benutzen, um japanische Importe in die USA zu beschränken. Die Zölle sollen es richten.
Ihren Kampf gegen die japanischen Importautos führen die drei Detroiter Hersteller und die UAW schon seit den 1980er Jahren. Trump kämpft einen ähnlich alten Kampf. Als er im Sommer 1993 Tokio besuchte und das bilaterale Handelsdefizit 1,1% des US-Bruttoinlandsproduktes entsprach (heute sind es 0,2%), lobte der damalige Geschäftsmann Trump, Japans Diplomaten hätten bei den US-Handelsverhandlungen eine der besten „Tap-Tap-Tap-Strategien“ aller Zeiten angewendet. „Sie halten den Ball am Laufen, geben absolut nichts preis und bringen die amerikanischen Idioten dazu, ‚danke‘ zu sagen“, sagte Trump. Aber trotz seiner damaligen Einsicht sollte er sich besser nicht sicher sein, dass er bei den heutigen Verhandlungen die Oberhand behalten wird.