Kapern und Touristen lieben Salina
Die Äolischen Inseln, auch als Liparische Inseln bekannt, sind eine Gruppe aus sieben Eilanden zwischen Sizilien und Neapel. Internationale Bekanntheit erlangte vor allem eine von ihnen: Stromboli mit dem einzigen ständig aktiven Vulkan Europas war 1949 Schauplatz des von Roberto Rossellini gedrehten gleichnamigen Films mit Ingrid Bergman in der Hauptrolle.
Die Inseln haben eine lange Geschichte, waren aber wegen der schwierigen Lebensbedingungen lange Zeit nur spärlich bewohnt. Und vom 19. Jahrhundert an gab es immer wieder Auswandererwellen, zunächst in die USA, später nach Argentinien und nach Australien. Davon zeugt ein Emigrationsmuseum in Malfa auf der zweitgrößten der Inseln, Salina. Auch Nino Sidoti arbeitete zwölf Jahre in Sydney. Mit seinen dort erworbenen Ersparnissen kaufte er nach seiner Rückkehr im kleinen Küstenort Lingua etwas Land und errichtete ein kleines Haus. Er ist Maurer und baut nebenbei Tomaten und Kapern an, die er vor allem an Touristen verkauft.
Salina hat es, so wie die anderen Inseln, dank des in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzenden Tourismus zu etwas Wohlstand gebracht. Es ist kein Massentourismus, weil es keinen Flughafen gibt und auch nur wenige, steinige Vulkanstrände. Salina ist aber außerdem Produzent von Malvasier-Wein und einer der Hauptproduzenten der im gesamten Mittelmeerraum vorkommenden Kapern. Die Kapernernte ist Anfang August zu Ende gegangen. „Die Qualität ist sehr gut“, sagt Calogero Marino, der mit seiner Frau Daniela die Azienda Agricola Daniela Virgona führt – einen der größten Kapern- und Weinproduzenten der Insel. Nach der mühsamen Ernte, die wegen der großen Hitze von morgens um fünf bis um die Mittagszeit erfolgt, werden die Kapern mindestens einen Monat in Salz eingelegt. Dann können sie verzehrt werden – aber erst, wenn sie vorher gewässert worden sind. Als besonders gut und deshalb teuer – ab etwa 6 oder 7 Euro für 250 Gramm – gelten die kleineren Kapern. Das schmackhafte Gewürz ist nicht wegzudenken aus der Mittelmeerküche – etwa aus Salaten, dem Vitello Tonnato oder den Spaghetti alla puttanesca (nach Hurenart), ist aber auch in Deutschland bekannt, zum Beispiel von den Königsberger Klopsen. Die Kapern haben außerdem auch Heilkräfte.
Laut Marino gibt es fünf größere Kapernproduzenten auf Salina, zwei stellen noch Wein her, zwei weitere produzieren Konserven wie Marmeladen etwa aus Orangen, Soßen oder Caponate. Manche betreiben auch ein Restaurant oder einen Agriturismo mit Zimmervermietung. Die meisten Produzenten sind im etwas flacheren Teil der Insel um Malfa angesiedelt. Ein weiteres Zentrum ist das Örtchen Pollaro im Norden. In diesem hat Michael Radford in den neunziger Jahren teilweise „Der Postmann“ mit Massimo Troisi und Philippe Noiret gedreht, eine auf einem Roman basierende Verfilmung eines Teils des Lebens des chilenischen Dichters Pablo Neruda.
Giuseppe Famularo betreibt in Pollaro seinen Agriturismo. In dem sonst so verträumten Ort geht es einmal im Jahr hoch her: Bei der Sagra del Cappero drängen sich im Juni hunderte von Besuchern auf dem kleinen Platz vor der Kirche und kosten die köstlichen Gerichte auf Kapernbasis. Die Kapernproduktion ist auch heute noch von großer Bedeutung für Salina. Ein großer Teil von ihnen wird exportiert, vor allem nach Kalifornien, Australien, Frankreich und Spanien – und natürlich auf das italienische Festland. Viele Touristen, die die Insel besuchen, nehmen an Führungen der Betriebe teil. Das Produkt verkauft sich gut.
Marino hat dennoch Sorgen. Denn die flachen und genügsamen Kapernbüsche gedeihen zwar fast überall, auf Felsen, in Mauerritzen und auf trockenen Böden vor allem vulkanischer Natur – selbst wenn es monatelang nicht regnet. Sie leben vom Wind und der Sonne, heißt es hier. Doch die Arbeit ist extrem mühsam, und es finden sich keine Leute mehr, die die Kapern stundenlang in gebückter Haltung von den stacheligen Ästen mit den kreisrunden Blättern pflücken wollen. „Die Jungen arbeiten lieber im Tourismus oder gehen woanders hin, wo sich das Geld leichter verdienen lässt“, sagt Nino Sidoti, der einst selbst ausgewandert ist, bevor es ihn zurück in die Heimat gezogen hat. (Börsen-Zeitung,