LeitartikelAutomatisierung und Softwareentwicklung

KI beflügelt das Banking

Wenn sie es richtig anstellt, steht die Bankbranche dank künstlicher Intelligenz vor einem goldenen Zeitalter. Anwendungen wie ChatGPT eröffnen große Chancen.

KI beflügelt das Banking

KI beflügelt das Banking

Von Björn Godenrath

Wenn es stimmt, dass Banken primär IT-Unternehmen sind, dann steht die Branche womöglich vor einem goldenen Zeitalter. Denn nachdem sie mit dem "Greenfield"-Ansatz die Infrastruktur auf einen modernen modularen Stand gebracht haben, sind viele Institute nun so positioniert, dass sie auch inmitten der ewigen Update-Zyklen von einer verbesserten IT-Basis aus operieren. Komplett bereit für die neue Ära von künstlicher Intelligenz (KI) und Data Analytics ist die Kreditindustrie aber nicht.

Derzeit befindet sich die Branche vor allem im Erkundungsmodus und testet Inselanwendungen im Frontend wie Kundendialogsysteme, die aber wohl für immer im dualen System mit einer menschlichen Betreuung verbleiben werden. Mit den von OpenAI bereitgestellten ChatGPT-Systemen eröffnet sich aber nun die Gelegenheit, an die großen Brocken der Automatisierung heranzugehen.

So kann etwa das Dokumentenmanagement auf neue Füße gestellt werden: Wo bislang eine Person drei Tage zu tun hatte, um einen Kreditantrag ins System einzupflegen, lässt sich das über die Prompts in wenigen Stunden erledigen – perspektivisch in Minuten. Hinzu kommt der stetig wachsende regulatorische Datensatz, den KI zu bändigen vermag – und auch die Arbeit der Aufseher erleichtern dürfte.

Eine App in Minuten erstellt

Ein weiterer großer Hebel sind die Qualität und der Aufwand für Softwareentwicklung. Wer einmal gesehen hat, wie ein "Early Adopter" eine App innerhalb von zehn Minuten über ChatGPT-Anweisungen anfertigen lässt, so dass sie im 1.0-Modus kommerziell einsatzbereit ist, der hat eine Vorstellung von der disruptiven Kraft der KI.

Das erfordert zum einen, dass die ChatGPT-Baukästen im Rahmen des sogenannten Customizing angepasst werden. Die Voraussetzung hierfür ist, ein genaues Zielbild zu haben für das Einsatzgebiet. Zum anderen müssen eigene Sprachmodelle für interne Datensteuerung entwickelt werden sowie Workflows und Governance für den KI-Einsatz.definiert werden.

Der AI Act braucht Augenmaß

Diese Anforderungen führen direkt zur gesetzlichen Lage. Zur Jahresmitte hatte das Europaparlament den Artificial Intelligence Act (AI Act) verabschiedet. Die spanische Ratspräsidentschaft hofft, den Trilog bis zur Weihnachtspause abschließen zu können. Mit Veröffentlichung der Gesetzestexte dauert es dann zwei Jahre, bis die Rahmenbedingungen gelten. Da niemand so lange die Hände in den Schoß legen kann, müssen die Banken in Antizipation des Regelwerkes ihre Systeme weiterentwickeln.

Grundsätzlich stuft der AI Act KI-Anwendungen in bestimmte Risikoklassen ein, an denen sich der Umfang der gesetzlichen Auflagen orientiert. Das Gesetz soll für alle gelten, die ein Produkt oder eine Dienstleistung auf KI-Basis anbieten. Zwar hagelt es schon reichlich Kritik am AI Data Act. Doch manches davon mutet rituell an, unter dem Strich scheint sich keine regulatorische Katastrophe anzubahnen.

Innovation nicht abwürgen

Maßstab für die Qualität des AI Data Act wird sein Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas sein. Und da sollte sich Brüssel daran erinnern, dass sich viel über sanfte Nachregulierung lösen lässt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Daumenschrauben nicht zu fest angezogen werden sollten, um Innovationen nicht schon im frühen Stadium abzuwürgen.

Um sich die Bedeutung von KI im Banking bewusst zu machen, lohnt der Blick auf den Siegeszug des Hochfrequenzhandels zu Beginn der Nullerjahre. Er wurde ermöglicht durch eine neue Generation von Hochleistungsrechnern, die auf Algorithmen gestützt in Mikrosekunden handeln und über neue Telekominfrastruktur (Glasfaser) in Handelssysteme wie Xetra kamen. Das machte den Paradigmenwechsel aus. Heute stehen Finanzdatenanbieter mit Instrumenten wie BloombergGPT schon in den Startlöchern, um einen Wettbewerbsvorteil zu monetarisieren. Das können die Banken auch, wenn sie ihre unstrukturierten Daten aus den Silos befreien und sich damit Erlösquellen erschließen. Der große Hebel liegt aber auf der Kostenseite, wenn mittels KI Prozesse automatisiert und damit der Wahnsinn manueller Nachbearbeitung beendet wird.

Wenn sie es richtig anstellt, steht die Bankbranche dank künstlicher Intelligenz vor einem goldenen Zeitalter.

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