Madrid erhöht die Spannung in der Übernahmeschlacht
Madrid erhöht die Spannung in der Übernahmeschlacht
Spanische Regierung startet ungewöhnliche Online-Befragung über die Fusion von BBVA und Sabadell. Neue Auflagen reduzieren erhoffte Synergieeffekte.
Von Thilo Schäfer, Madrid
Wer eine Meinung zum feindlichen Übernahmeangebot von BBVA für den heimischen Rivalen Banco Sabadell hat, kann diese bis zum 16. Mai der spanischen Regierung kundtun. Auf der Webseite des Wirtschaftsministeriums (www.mineco.es) steht ein Online-Formular bereit, mit dem jeder, egal ob Aktionär, Angestellter oder Kunde einer der beiden Großbanken oder nichts davon, Bedenken äußern kann, die über die reine Frage des Wettbewerbs hinausgehen. Als Optionen werden etwa Sorgen um die nationale Sicherheit oder Auswirkungen auf die Umwelt durch die Fusion angeboten.
Diese öffentliche Anhörung zu einer privatwirtschaftlichen Operation ist das neueste, überraschende Kapitel in der langen Übernahmeschlacht, seit BBVA vor genau einem Jahr sein feindliches Angebot an die Aktionäre von Sabadell bekannt gab. Zuvor hatte das Management der katalanischen Bank die Offerte abgelehnt. Durch den Zusammenschluss entstünde ein neuer Bankenriese mit einer Bilanzsumme von rund 1 Bill. Euro.
Die spanische Wettbewerbsaufsicht CNMC hatte am 30. April grünes Licht für die Operation gegeben, allerdings mit Auflagen. Nun liegt der Ball bei der Regierung, die von Anfang an erhebliche Bedenken wegen der Auswirkungen auf den Wettbewerb im spanischen Bankensektor hegte. Mit einer Fusion würden drei sehr Große – Santander, Caixabank und BBVA mit Sabadell – den Markt stark beherrschen. Das könnte, nach Meinung der Regierung, die Kredite verteuern. Sabadell ist besonders stark vertreten bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die spanische Notenbank und andere teilen diese Sorge nicht.
Auf dem jährlichen Treffen des Cercle d’Economia am Montag in Barcelona verkündete Ministerpräsident Pedro Sánchez vor führenden Wirtschaftsvertretern höchstpersönlich den ungewöhnlichen Schritt der öffentlichen Befragung. Im Publikum saßen auch die Chefs der Protagonisten. Während der Vorsitzende von Sabadell, Josep Oliu, die Befragung als „positiv“ bewertete, beschränkte sich sein Kollege von BBVA, Carlos Torres, darauf, „Respekt“ für die Entscheidung der Regierung zu bekunden.
Kopfschütteln bei Arbeitgebern
Kritik an diesem für einen Übernahmeprozess bislang einmaligen Vorgang gab es vom Arbeitgeberverband CEOE. Dessen Präsident, Antonio Garramendi, beklagte, dass die Regierung sich ihrer Verantwortung entziehen wolle. „So könnte man für alles Mögliche Anhörungen veranstalten“, lamentierte der Arbeitgeberchef. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo verteidigte die Online-Befragung seines Hauses. „Es geht nicht um ein Ja oder Nein zur Übernahme, sondern wie diese das öffentliche Interesse betrifft. Genau das muss die Regierung abwägen“, so der Minister. Das Ergebnis der Anhörung ist nämlich nicht bindend für die Entscheidung. Die Linksregierung kann der Übernahme zustimmen oder neue Auflagen diktieren. Sie kann die Aktionäre von Sabadell nicht daran hindern, ihre Anteile an BBVA zu verkaufen, wohl aber einen organischen Zusammenschluss der zweit- und der viertgrößten Bank des Landes verbieten.
Druck aus Katalonien
In der Endphase der Übernahmeschlacht wächst der politische Druck, besonders in Katalonien, wo Sabadell eine Institution ist. Der katalanische Unternehmerverband Foment del Treball fordert Sánchez auf, die Übernahme zu verhindern. Das Linksbündnis Sumar, der kleine Koalitionspartner des Sozialisten Sánchez, ist ebenso dagegen wie die bürgerlichen katalanischen Separatisten von Junts, auf deren Stimmen die Minderheitsregierung angewiesen ist.
Nachdem andere Aufsichtsbehörden wie die Europäische Zentralbank grünes Licht gegeben hatten, genehmigte auch die Wettbewerbsbehörde CNMC den Zusammenschluss. Die Zugeständnisse von BBVA im Vorfeld wurden in den entsprechenden Auflagen noch einmal verschärft. So muss die Bank den Kunden, vor allem Kleinunternehmen, die Kreditbedingungen für drei Jahre garantieren statt der angebotenen 18 Monate. Filialschließungen in ländlichen Gegenden mit sehr wenigen Banken werden zunächst untersagt. Vor allem in Katalonien gibt es sehr viele örtliche Überschneidungen von BBVA und Sabadell.
Wenn sich die Regierung geäußert hat und möglicherweise weitere Bedingungen auferlegt, kann die Börsenaufsicht CNMV das Angebot offiziell absegnen. Dann entscheiden die Aktionäre von Sabadell, ob sie verkaufen oder nicht. Unter den Anteilhabern des katalanischen Kreditinstituts gibt es sehr viele Kunden, Private und Unternehmen, die andere Kriterien als den Preis haben könnten. Für andere, wie die institutionellen Investoren, stehen die finanziellen Aspekte im Vordergrund.
Mehr Dividende
Sabadell legte am Donnerstag starke Quartalszahlen vor. Der Reingewinn stieg bis März im Vergleich zum Vorjahr um 58% auf 489 Mill. Euro, mehr als der Konsens von Bloomberg. Die Bank versprach den Aktionären 100 Mill. Euro zusätzlich an Dividende in diesem Jahr. „Die Übernahme ist entgleist wegen der allgemeinen Ablehnung und des Wertverlusts der BBVA-Aktie als Zahlungsmittel“, behauptetet der CEO von Sabadell, César González-Bueno. In der Tat ist die ursprünglich gebotene Prämie von 30% für die Sabadell-Aktionäre am Markt verpufft und lag zuletzt sogar schon im negativen Bereich.
Die Analysten rechnen nun fleißig durch, wie sich die Auflagen auf die von BBVA erhofften Synergien von 850 Mill. Euro auswirken. Kepler Cheuvreux senkte die Zahl auf 590 Mill. Euro und das noch vor dem Urteil der CNMC. Die Experten der Deutschen Bank und andere halten die Bedingungen für machbar.
Nachbesserung erwartet
Am Markt gehen allerdings viele davon aus, dass BBVA das Angebot nachbessern muss, um eine Kontrollmehrheit an Sabadell zu erreichen. Geld ist da. Die Großbank sitzt nach dem Verkauf ihres US-Geschäfts weiterhin auf einem komfortablen Kapitalpolster. Doch der CEO von BBVA, Onur Genç, schloss bei der Vorlage der Quartalszahlen letzte Woche eine Aufstockung erneut kategorisch aus.
Langes Warten
Die Aktionäre von Sabadell, die seit Monaten mit Werbekampagnen in Presse, Internet und Fernsehen von beiden Seiten bezirzt werden, haben derzeit immer noch kein abschließendes Bild von dem Angebot mit all seinen Konsequenzen, über das sie entscheiden müssen. Nun gilt es erst einmal abzuwarten, welche Schlüsse die Regierung aus der Online-Befragung ziehen wird.