Neue Zinskalkulation mindert Puffer im Bundesetat
Im Blickfeld
Neue Zinskalkulation mindert Puffer im Bundesetat
Der Bund stellt 2025 die Methodik zur Berechnung seiner Zinslasten um. Das ist ökonomisch sachgerecht, mindert aber den Bewegungsspielraum des Bundesfinanzministers im Haushalt.
Von Angela Wefers, Berlin
Auf den Bund kommen in den nächsten Jahren deutlich höhere Zinsausgaben zu. In diesem Jahr sind es 30,2 Mrd. Euro. Bis 2029 steigen die Zinsausgaben im Bundeshaushalt einschließlich der Sondervermögen bis auf 61,9 Mrd. Euro. Der Anteil an den Ausgaben des Bundes verdoppelt sich fast von 6% auf knapp 11%. Dies liegt an der steigenden Neuverschuldung im Kernhaushalt, an den zusätzlichen Krediten aus den Sondervermögen und aus den unlimitierten Verteidigungsausgaben. Die Zinsen nehmen im Bundeshaushalt mehr Platz ein.
Zugleich stellt der Bund 2025 die Kalkulation der Zinsausgaben auf eine neue Methode um. Sie werden künftig periodengerecht über die Laufzeit der Wertpapiere im Haushalt verteilt. Wissenschaft und Bundesbank fordern dies schon lang. Die Planbarkeit der Zinsausgaben wird präziser – aber die Puffer im Etat werden auch kleiner. Für den Finanzminister wird der Bewegungsspielraum im Haushaltsvollzug enger.
Gut geplanter Ausgleich
Ein Phänomen der vergangenen Jahre waren überdimensioniert geplante Zinsausgaben. Der Haushaltsabschluss profitierte oft davon, dass am Ende des Jahres weniger Mittel benötigt worden waren, als im Haushaltsplan veranschlagt. Mehrausgaben an anderer Stelle konnten frühere Finanzminister damit in der Gesamtrechnung ausgleichen, ohne etwa die Nettokreditaufnahme erhöhen und das Parlament um einen Nachtragshaushalt bitten zu müssen.
Diese hohen Puffer in den Zinsausgaben benötigt der Bund bislang, um mit Blick auf die Marktentwicklung für Agio und Disagio bei der Emission von Bundeswertpapieren im Etat vorzusorgen. Künftig wird dies einfacher, weil Agio oder Disagio periodengerecht auf die Laufzeit der Wertpapiere verteilt werden. Dies sieht das Haushaltsgesetz 2025 von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor, das nächste Woche in erster Lesung im Bundestag auf der Tagesordnung steht. In der Vergangenheit hatte der Bund jedoch Agio − also den Erlös über dem Nennwert von 100 − oder Disagio − also den Abschlag auf den Nennwert − bei der Emission vollständig kassenwirksam zum Verkaufszeitpunkt gebucht. Dieser Betrag tauchte damit in der Haushaltsrechnung des jeweiligen Jahres auf.
Aufstockung für Marktliquidität
Agio und Disagio folgen vor allem aus der Aufstockung von Bundesanleihen. Um die Liquidität der deutschen Staatspapiere mit Laufzeiten von einem, zwei, sieben, zehn, fünfzehn oder dreißig Jahren sicherzustellen, stockt der Bund regelmäßig seine Anleihen auf, behält den zuvor festgelegten Kupon aber bei. Agio oder Disagio spiegeln die Differenz zwischen dem festgelegten Kupon und der marktgerechten Rendite.
Die methodische Umstellung war schon vor dem Regierungswechsel zu Schwarz-Rot geplant. Die periodengerechte Verteilung von Agio und Disagio ist ökonomisch der richtige Weg. Der Bund folgt damit auch dem Petitum von Experten. Dazu gehört die Bundesbank. Aber auch der unabhängige Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hatte schon im Oktober 2021 in einem Gutachten auf eine Reform der Agio- und Disagio-Regeln gedrungen. Vor vier Jahren, mitten in der Coronakrise, hatte der Bund negative Anleihezinsen und besonders hohe Agio-Einnahmen. Der Posten Zinsausgaben fiel 2021 vermeintlich auf den seit Jahren niedrigsten Wert von 3,8 Mrd. Euro, nachdem er in Spitzenzeiten ungefähr beim Zehnfachen gelegen hatte. Tatsächlich betrugen die Zinsausgaben 2021 aber 14,9 Mrd. Euro und wurden nur durch das Saldieren der Agio-Einnahmen von 11,1 Mrd. Euro optisch auf den geringen Betrag gedrückt.

Die Wissenschaftler plädierten für eine Reform der Verbuchung vor allem aus Gründen der Fiskaldisziplin. Die Agio-Einnahmen seien schwer planbar, konstatierten sie. Würden sie im Bundeshaushalt − und im Übrigen auch in den Haushalten der Länder − nicht periodengerecht abgebildet wurden, „kann der Eindruck von zusätzlichen Ausgabenspielräumen entstehen“, warnte der Beirat. Die Last werde auf spätere Jahre verschoben. Umgekehrt könne es zu buchhalterischen Belastungen im Haushalt kommen, wenn Disagien bei steigenden Zinsen entstehen. Dies könne „in Zukunft an Bedeutung gewinnen“, schrieben die Experten in weiser Voraussicht.
Zinswende mit Folgen
Genau dies trat 2023 ein, als der Bund mit der Zinswende nun ein Disagio hinnehmen musste. Der Zinsausgabenposten sprang auf 39,2 Mrd. Euro. Darin steckten allerdings 17,6 Mrd. Euro hinzugerechnetes Disagio. Die eigentlichen Zinsausgaben lagen nur bei 21,6 Mrd. Euro. Doch der Effekt belastete die Regierung: Die Mittel für das Disagio fehlten im Etat an anderer Stelle. Sie erschwerten die Haushaltsplanung der Ampel-Regierung und von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
Der Bund preist zu Recht im Monatsbericht vom Februar 2025 die Vorteile einer periodengerechten Verbuchung. Die Umstellung erlaubt auch dem Bund zufolge eine präzisere Planung der Zinsausgaben. Die Planungspuffer fallen demzufolge künftig systematisch niedriger aus. Die Belastung künftiger Jahre durch Zinsausgaben hängt künftig primär vom Renditeniveau und nicht mehr von der Auswahl bestimmter Wertpapiere für die Kreditaufnahme ab.
Politisches Kalkül
Offensichtlich ist aber auch das politische Kalkül: In Zeiten, als das Agio mehr Spielraum im aktuellen Bundesetat verschaffte, zeigte kein Finanzminister, unabhängig von der politischen Couleur, Ambition, die Buchungsmethode zu ändern. Dies betrifft die Amtszeit von Wolfgang Schäuble (CDU) bis 2017 und auch diejenige von Olaf Scholz (SPD) bis 2021. Dass damit Lasten in die Zukunft verschoben wurden, vernachlässigten die Ressortchefs geflissentlich. Mit der Zinswende verschafft die neue Kalkulation nun mehr Luft im Bundeshaushalt gegenüber der bisherigen Methodik. Dies was sicher Anreiz genug für den neuen Minister, die Umstellung voranzutreiben − sie ist damit aber nicht weniger sachgerecht.
Die Umstellung hat noch einen Nebeneffekt: Die ausgewiesene Zinsposition geht in diesem Jahr erst einmal zurück, obwohl Schwarz-Rot die Kreditaufnahme auf 82 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Erst in den Folgejahren steigt der Zinsposten wieder. Wurden 2024 inklusive Sondervermögen noch 37,5 Mrd. Euro an Zinsausgaben geplant, sind es für 2025 nur noch 30,2 Mrd. Euro. Dies folgt aus der periodengerechten Verteilung. Danach steigt der Zinsposten wieder: auf 30,3 Mrd. Euro (2026), 39,8 Mrd. Euro (2027), 52,5 Mrd. Euro (2028) und schließlich 61,9 Mrd. Euro (2029).