KommentarChina-Politik

Nicht mehr als Nadelstiche

EU-Kommissarin Margrethe Vestager warnt vor subventionierten Clean-Tech-Importen aus China nach Europa. Ihr „Weckruf“ ist nachvollziehbar. Aber sie selbst weiß, dass es schwierig ist, sich dagegen zu wehren.

Nicht mehr als Nadelstiche

China-Politik

Nicht mehr als Nadelstiche

Die Aussichten sind trübe, ein weiteres Vorpreschen Chinas in Clean Tech zu verhindern.

Von Detlef Fechtner

Margrethe Vestager setzt fort, was Janet Yellen gerade begonnen hat: Wie die US-Finanzministerin sendet auch die für Wettbewerb zuständige EU-Kommissarin eine Warnung an die chinesische Regierung. Falls China versuche, die Probleme wegen eigener Überkapazitäten im Bereich grüner Technologie – seien es Windparks oder Elektroautos – durch subventionierte Exporte auf Europa abzuwälzen, dann müsse sich die EU nach Vestagers fester Überzeugung dagegen wehren. Yellen hatte zu Wochenbeginn bei einem Besuch in China in die gleiche Kerbe geschlagen und klargestellt, dass die Biden-Administration eine Flutung der internationalen Märkte mit künstlich verbilligten Produkten grüner Technologie nicht zulassen werde.

Aber was genau heißt das? So offensichtlich es aus Sicht der EU-Kommission oder der US-Regierung auch sein mag, dass sich China nicht an Wettbewerbsregeln hält, so schwierig ist der Nachweis unfairer Praktiken. Und selbst wenn der erbracht sein sollte, ist es alles andere als trivial, darauf die richtige handelspolitische Antwort zu finden. Die EU weiß nur zu gut, wie gespalten sie in Diskussionen über den Einsatz handelspolitischer Instrumente ist, da die exportabhängigen Volkswirtschaften wie Deutschland aus Sorge vor einem Handelskrieg stets bremsen. Hinzu kommt die Abhängigkeit der heimischen Wirtschaft von einzelnen Produkten grüner Technologie, die in China schon weiter ausgebildet sind als in Europa oder den USA.

Insofern ist es kein Zufall, dass sich Europäer und Amerikaner auf Nadelstiche beschränken. Hier eine Zulassungsbe-
schränkung wegen sicherheitspolitischer Vorbehalte, dort ein Beihilfeverfahren gegen chinesische Firmen, die sich an europäischen Ausschreibungen beteiligen. Vestager selbst weiß, dass dieses fallweise Vorgehen nicht reichen dürfte, um zu verhindern, dass Europas Produzenten von Elektroautos und Windrädern ein ähnliches Schicksal droht wie der hiesigen Solarindustrie, nämlich von Anbietern aus China an den Rand gedrängt zu werden. Deshalb ist ihr „Weckruf“ zwar nachvollziehbar. Sie selbst wird allerdings ahnen, dass die Aussichten, ein weiteres Vorpreschen Chinas in Clean Tech zu verhindern – etwa durch einen gemeinsamen Kriterienkatalog der G7 für fairen Wettbewerb und dessen wirklich belastbare Umsetzung in der täglichen Handelspraxis – ausgesprochen trübe sind. Insbesondere jetzt, da Amerika im Wahlkampf steckt und sich in Europa die Amtszeit der EU-Kommission dem Ende zuneigt – also denkbar schlechte Bedingungen für eine Bündelung der Kräfte, um Druck auf Peking auszuüben, subventionierte Exporte zu zügeln.

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