Notiert inMailand

Nicht nur Badetouristen in Italien

Rimini ist exemplarisch: So wie die Bademetropole an der Adria setzen auch andere Regionen Italiens mehr und mehr auf Nachhaltigkeit und die Ausweitung ihres Angebots, um Italien zu einem Ganzjahresziel zu machen.

Nicht nur Badetouristen in Italien

Notiert in Mailand

Nicht nur Badetouristen

So wie Rimini setzen viele andere Regionen Italiens auf Nachhaltigkeit und Ganzjahrestourismus

Von Gerhard Bläske

Die flache Küste an der Adria um Rimini gehört sicher nicht zu Italiens schönsten Regionen. Dennoch zieht sie seit Jahrzehnten viele Touristen speziell aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Die Verantwortlichen haben es – vielleicht besser als die in anderen Regionen – verstanden, die Bedürfnisse ihrer Gäste zu erfüllen. Und seit einigen Jahren setzen sie darauf, auch das kulturelle Erbe vor allem des Hinterlands mit einzubeziehen sowie einen Ganzjahrestourismus zu entwickeln. Rimini etwa weist Bauwerke aus der Römerzeit auf, hat eine sehr attraktive Altstadt mit Museen von hohem Rang und ein großes Messegelände, auf dem gerade die Tourismusmesse TTG, die größte Italiens, zu Ende gegangen ist.

Die Branche ist trotz der sehr schwierigen geopolitischen Lage und teilweise deutlich höherer Preise optimistisch, dass auch 2024 ein sehr gutes Jahr wird. Nach einem durchwachsenen August sind die Zahlen für September und Oktober wieder sehr gut. Die Branche setzt mit etwa 1,8 Millionen Beschäftigten (inklusive Saisonarbeitskräften) immerhin mehr als 200 Mrd. Dollar im Jahr um und steht für 13% des italienischen Bruttoinlandsprodukts.

Inflation bremst Reiselust

Die Inflation hat jedoch vor allem die Italiener gebremst. 41% von ihnen sind in diesem Jahr gar nicht verreist. Hotels haben ihre Preise um durchschnittlich 13% erhöht und damit deutlich über die Inflationsrate. Auch die Strandbäder haben die Tarife für Sonnenschirme und Strandliegen teilweise im zweistelligen Prozentbereich angehoben. Viele Urlauber haben deshalb ihre Ausgaben für das Essen oder Einkäufe eingeschränkt.

Den Luxustourismus tangiert das kaum. Die Gäste sind wenig preissensibel, Preiserhöhungen sind gut durchzusetzen. Die Zahl der Fünf-Sterne-Häuser ist in den letzten zehn Jahren von 400 auf 652 gestiegen. Insgesamt steht der Luxussektor für mehr als ein Fünftel des Übernachtungsangebots.

Italiens Tourismusbranche profitiert von der Rückkehr der Amerikaner. Diese kaufkräftigen Kunden, die vor allem nach Mailand, Neapel, Rom, Florenz, Venedig oder Rom strömen, lassen auch viel Geld in Restaurants und Luxusboutiquen. Der Luxussektor steht für Ausgaben von 25 Mrd. Euro.

Overtourism in Italien

In Florenz, Venedig und Rom oder in beliebten Touristenregionen wie Ligurien und an der Amalfi-Küste bei Neapel ging diesen Sommer oft nichts mehr. Stichwort: Overtourism. In den Cinque Terre in Ligurien werden Eintrittspreise für die beliebtesten Wanderwege verlangt und in Venedig müssen Tagestouristen künftig eine Eintrittsgebühr zahlen.

Problematisch ist für die Branche der Personalmangel, vor allem in der Hochsaison, und generell die kurze Saison. Fast alle Strandbäder etwa öffnen frühestens Ende Mai und schließen Ende September, selbst wenn, wie vor wenigen Tagen, Temperaturen von 30 Grad herrschen. Rom will neue Potenziale heben und setzt auf die 60 Millionen Auslandsitaliener in Deutschland, den USA, Argentinien, Frankreich, Australien oder Großbritannien, die oft enge Bande zu Italien haben. Mit Sportereignissen wie dem Ryder Cup (Golf), Kongressen, Messen und Kulturveranstaltungen soll Italien zu einem Ganzjahresziel werden. Genua und Palermo, das 30 Mill. Euro in eine neue Marina investiert, wollen kaufkräftige Gäste mit Yachten anziehen.

Auch mit Mitteln des europäischen Wiederaufbauprogramms soll nachhaltiger Tourismus gefördert werden. Die von einer einheimischen Familie geführte Gruppe Delphina Hotels & Resorts, die zwölf Häuser an acht Standorten im Norden Sardiniens hat, setzt zu 100% auf erneuerbare Energien, hat ihre autofreien Anlagen mit 80 bis 450 Betten in mediterrane Parkanlagen eingebettet und bezieht 70% der Lebensmittel und Waren von lokalen Erzeugern. Die Gruppe beschäftigt im Sommer bis zu 1.000 Mitarbeiter. Die Hälfte der Gäste kommt aus dem Ausland. „Es hat sich gezeigt, dass die Strategie, die wir vor 30 Jahren eingeschlagen haben, die richtige war“, sagt Generaldirektor Libero Muntoni.

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