KommentarDeutsche Wirtschaft

Noch viel Stolperpotenzial

Die Rezession kommt anhand zahlreicher Stolpersteine für die Konjunktur nicht überraschend. Zeitnah wird es wohl auch nicht besser werden.

Noch viel Stolperpotenzial

Deutsche Wirtschaft

Noch viel Stolperpotenzial

Von Martin Pirkl

Die Rezession kommt angesichts der Stolpersteine für die Konjunktur nicht überraschend. Zeitnah wird es wohl auch nicht besser werden.

Nun ist es also doch passiert. Der deutschen Wirtschaft blieb eine Winterrezession nicht erspart. Besorgniserregend ist jedoch etwas anderes. Ob die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal des Jahres stagniert, wie vom Statistischen Bundesamt zunächst prognostiziert, oder leicht um 0,3% schrumpft, wie nun tatsächlich geschehen, hat vor allem Symbolcharakter.

Viel wichtiger ist jedoch die Perspektive der deutschen Wirtschaft – und die sieht erst mal düster aus. Die Inflation liegt weiterhin deutlich oberhalb des 2-Prozent-Ziels der Europäischen Zentralbank (EZB) und erreicht dieses je nach Prognose erst in über zwei Jahren. Das drückt auf die Konsumlaune der Bevölkerung. Gleichzeitig hemmen auch noch die Effekte der beispiellosen Zinserhöhungen der EZB von inzwischen insgesamt 375 Basispunkten seit Juli 2022 die Konjunktur. Und werden sie auch noch länger ausbremsen – denn die Zinserhöhung im Mai wird wohl nicht die letzte gewesen sein.

Als wäre diese Perspektive für die deutsche Wirtschaft nicht schon schlimm genug, gibt es auch abseits von Inflation und Geldpolitik Faktoren, die auf ein schwaches oder gar negatives Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten hindeuten. Die Auftragsbücher der Industrie und der Bauwirtschaft werden immer dünner. Dass die schwächelnde Wirtschaft kein deutsches Phänomen ist, sondern die Konjunktur auch beispielsweise in den USA oder China nicht ganz rund läuft, trifft eine Exportnation wie Deutschland besonders hart.

Die abnehmenden Probleme in den globalen Lieferketten, die mit ein Grund für die sinkenden Auftragsbestände sind, geben jedoch auch einen Anlass für etwas Optimismus. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie lassen Stück für Stück nach. Auch die Inflation wird sich langfristig wieder normalisieren. Zudem scheinen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen des schrecklichen Krieges in der Ukraine für Deutschland in Grenzen zu halten. Und die Unternehmen investieren trotz der schwachen Konjunktur weiter. Die Ausgaben für Maschinen, Geräte und Fahrzeuge sind im ersten Quartal deutlich gestiegen.

Die längerfristige Perspektive der Konjunktur sieht damit gar nicht schlecht aus. Doch werden erst einige Stolpersteine umgangen werden müssen, ehe der Weg zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum frei ist. Eine Rezession nicht nur im technischen, sondern auch im herkömmlichen Sinne, also eine schrumpfende Wirtschaft über das gesamte Jahr gesehen, ist wahrscheinlicher geworden.