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Private Equity in der Schuldenfalle

Von den am stärksten ausfallgefährdeten deutschen Unternehmensschuldnern befinden sich die meisten im Besitz von Private-Equity-Firmen. Wenn der Zollstreit eskaliert, wird es mehr Defaults in dieser Gruppe geben, warnt Tobias Mock, S&P-Chefanalyst in Deutschland.

Private Equity in der Schuldenfalle

Private Equity in
der Schuldenfalle

Laut Standard&Poor´s ist die Ausfallquote derzeit hoch bei Anleihen mit spekulativem Rating. Diese Schuldner sind überwiegend Firmen in Private-Equity-Besitz.
Viele von ihnen wackeln.

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

Nach drei Übernahmen durch Finanzinvestoren lasten mehr als 1,7 Mrd. Euro Schulden auf Klöckner Pentaplast. Der Folienhersteller war nach der Übernahme durch Cinven an Blackstone verkauft und 2012 an Strategic Value Partners weitergereicht worden. Der Deal erfolgte im Zuge einer finanziellen Restrukturierung, bei der SVP dem Unternehmen 190 Mill. Euro zuführte und die Mehrheit erhielt. Inzwischen steht das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur erneut am Abgrund. So ist die Bonitätsnote „CCC-“ der Ratingagentur S&P Global Ratings (S&P) bereits mit einem negativen Ausblick versehen.

Zuvor hatte es schon einen Teil-Ausfall (Selective Default) der Anleihen gegeben. Die Schuldtitel werden im Jahr 2026 fällig, und dann könnte es eng werden: „Wir sind der Ansicht, dass die Schuldenlast der Gruppe im Vergleich zu ihrem freien operativen Cashflow weiterhin sehr hoch ist. Das könnte die Refinanzierungsaussichten dieser Schulden untergraben“, urteilte die Frankfurter S&P-Analystin Lina Sanchez im Mai.

Kein Einzelfall

Klöckner Pentaplast ist kein Einzelfall. S&P konstatiert, dass Ausfallquote der als „spekulativ“ eingestuften Hochzinsanleihen derzeit hoch ist und erst im Laufe des Jahres zurückgehen wird. „In den zwölf Monaten bis März 2026 dürfte die Quote von 4,1% auf 3,6 % sinken“, sagte Tobias Mock, Chefanalyst der Ratingagentur in Deutschland, der Börsen-Zeitung. „Die Ausfallquote begann im vierten Quartal 2025 zu sinken und nähert sich langsam wieder dem historischen Durchschnitt an.“ Es komme häufiger als sonst zu Restrukturierungen und Umschuldungen.

Als „spekulativ“ werden Anleihen im Non-Investmentgarde-Bereich mit einem Rating von „BB+“ oder schlechter bezeichnet. Die meisten der Unternehmen in Deutschland mit einer solchen Bonitätsnote befinden sich im Eigentum von Private-Equity-Firmen. So hat der Zulieferer Standard Profil Automotive der Actera Group mit 275 Mill. Euro Schulden, die im Feuer stehen, bereits einen Teil-Default hingelegt.

Vergleichbar schlechte Bonitätseinschätzungen wie Klöckner Pentaplast haben der Home-Shopping-Sender HSE 24 der britischen Providence Equity Partners sowie der Immobilienkonzern Branicks mit der Deutsche Immobilien Chancen (DIC) als Großaktionär sowie der Glasfaseranbieter Tele Columbus des Infrastrukturfonds von Morgan Stanley.

Den neben Klöckner Pentaplast zweitgrößten Schuldenberg in Deutschland unter den Firmen aus Private-Equity-Besitz in der Kategorie unterhalb von „B-“ schiebt die Holzfirma Pfleiderer vor sich her - mit einem ausstehenden Volumen, das laut S&P bei 751 Mill. Euro liegt. Das Unternehmen, das zeitweise an der Börse in Warschau gelistet war, gehört wie auch Klöckner Pentaplast dem Finanzinvestor Strategic Value Partners.

Flint Group nach Jersey verzogen

Nicht alle Schulden werden zurückgezahlt werden. Die Kreditausfälle hatten schon vor zwei Jahren angefangen zuzunehmen. Bei dem formal von Luxemburg nach Jersey umgezogenen deutschen Druckereizulieferer Flint Group sowie bei dem Modediscounter Takko Fashion und dem Aufzugszulieferer Wittur mussten die Gläubiger bereits 2023 auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Ungewollt übernahmen sie von den bisherigen Eigentümern Goldman Sachs, der Private-Equity-Firma Apax und Bain Capital die Kontrolle.

Die mauen Wachstumsaussichten lassen die hoch verschuldeten Portfoliofirmen der Private-Equity-Häuser zusätzlich ins Wanken geraten. Es gebe es schon etliche Distressed- oder „Special Opportunities“-Funds, die sich die Restrukturierungsfälle daraufhin anschauen, ob es die Chance gibt, preiswert Anteile zu erwerben, beobachtet Mock.

Schockstarre am Highyield-Markt beendet

Nach dem „Liberation Day“ am 2. April hatten die Zollkonflikte dazu geführt, dass sich die Primärmärkte für die Emission neuer Unternehmensanleihen erstmals schlossen. „Anfang April gab es so gut wie keine Neuemissionen mehr. Das hat alle sehr nervös gemacht. Aber seit Mai und erst recht im Juni sind die Kapitalmärkte wieder offen, und wir haben teilweise neue Rekordvolumen von Anleihenemissionen gesehen“, sagte Mock.

Neuerdings Emissionsrekorde

Tatsächlich brechen laut J.P. Morgan die europäischen Leveraged-Finance-Märkte derzeit Emissionsrekorde. Das Volumen der Leveraged Loans und der hochverzinslichen Anleihen, die neu begeben werden, ist mit addiert 180 Mrd. Euro bis dato in diesem jahr so hoch wie nie zuvor. Montag, der 23. Juni, war der bisher geschäftigste Tag auf den europäischen Leveraged-Finance-Märkten.

Zum Glück für Speculative-Grade-Unternehmen in Europa stehen kurzfristig auch nur wenig Fälligkeitstermine an: „Dadurch verringert sich die Notwendigkeit eines umfassenden Marktzugangs für die Refinanzierung von Schulden in der zweiten Jahreshälfte“, sagt der Chefanalyst.

Löwenanteil der Fälligkeiten 2028

Die meisten Firmen haben gerade erst refinanziert, und der Löwenanteil der Fälligkeiten steht erst 2028 an. Laut Mock müssen für 2025 in ganz Europa nur noch 41,5 Mrd. Euro im Highyield-Markt refinanziert werden: „Das ist nicht viel.“ Für 2026 braucht es hingegen 126,5 Mrd. Euro und für 2028 sogar 270,6 Mrd. Euro.

Zinskosten gesunken

Highyield-Firmen refinanzieren sich zu niedrigeren Schuldzinsen als vor sechs oder neun Monaten. „Die Refinanzierungen sind derzeit relativ günstig zu haben. Der Risikoaufschlag für Highyield-Unternehmen gegenüber risikofreien Staatsanleihen liegt bei nur 300 Basispunkten“, sagte Mock. „Da das Zinsniveau gesunken ist, ist das nicht allzu teuer.“ Allerdings achten Investoren nach Mocks Beobachtung stark darauf, welche Unternehmen von Zöllen oder anderen Unsicherheiten betroffen sind. In diesen Fällen fordern sie höhere Risikoprämien, wie sich bei der jüngsten Anleihe von ZF Friedrichshafen zeigte. „Wenn der Zollstreit eskaliert, könnte die Störung der Volkswirtschaften dazu führen, dass wir bei den Ausfällen eher auf unser pessimistisches Szenario blicken“, sagte Mock. Zu erwarten wäre dann eine Ausfallrate von rund 5,25% bis zum nächsten März.

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