BlickfeldKapitalbedarf ist riesig

Privates Kapital ist für eine gute Infrastruktur unverzichtbarer

Analysten betonen die entscheidende Rolle von privatem Kapital für die globale Infrastruktur. Bis 2035 sind Investitionen von 11,5 Billionen Dollar erforderlich.

Privates Kapital ist für eine gute Infrastruktur unverzichtbarer

Im Blickfeld

Privates Kapital ist für eine gute Infrastruktur unverzichtbar

Staatliche Mittel allein reichen bei weitem nicht aus. In Deutschland behindern aber Bürokratie und geringe Renditen und deutsche Investoren bevorzugen zudem das Ausland.

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

11.500 Mrd. Dollar in den kommenden zehn Jahren. So hoch ist der Kapitalbedarf, der nach Meinung von Analysten des Versicherers Allianz erforderlich ist, um Straßen (darauf fällt der weitaus größte Teil des Bedarfs), den Luft- und Schienenverkehr, Häfen, sanitäre Anlagen und die die Digital-Infrastruktur weltweit zukunftsfest zu machen. Für Deutschland haben Jordi Basco Carrera und seine Kollegen einen Investitionsbedarf von 134,5 Mrd. Dollar errechnet. Der erhebliche Aufwand für die Energiewende ist dabei allerdings nicht berücksichtigt.

Nicht der Staat allein

Es besteht kein Zweifel: Diese gewaltigen Summen können auch nicht annähernd von den Staaten aufgebracht werden. Privates Kapital ist für die Instandhaltung vorhandener und den Aufbau neuer Infrastruktur unverzichtbar. Dabei geht es aber nicht nur um die Bereitstellung von Finanzmitteln, sondern auch um das Knowhow zur Durchführung von Projekten – und des Unterhalts, sobald die Projekte fertiggestellt sind. Die Erwartung ist, dass Private solche Projekte effizienter und in besserer Qualität durchführen können als staatliche Stellen und damit im Endeffekt Geld sparen.

Immerhin hat das private Engagement für die Infrastruktur, gemessen an den Assets under Management (AuM) weltweit in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Waren es 2009 noch etwa 20 Mrd. Dollar, so ist dieser Wert bis Ende 2024 auf 1,1 Bill. Dollar hochgeschossen. Hauptgeldgeber waren Pensionsfonds, Versicherer und Staatsfonds. Die Mittelaufnahme (Fundraising) hat bis 2022 stetig zugenommen, ist in den beiden darauf folgenden Jahren aber wieder abgefallen.

Allianz Lead Investment Strategist Carrera sieht für diesen Rückgang mehrere Ursachen. Höhere Zinsen und größere makroökonomische Schwankungen machen Anlagen mit langfristigen Cashflows weniger attraktiv als liquide festverzinsliche und Private Credit Anlagen. Der Ausverkauf an den regulierten Märkten 2022 ließ die liquide Seite der Portfolien vieler Institutioneller schrumpfen. Dadurch waren sie plötzlich bei Private Markets übergewichtet. Weitere Gründe für die Flaute bei Zuflüssen zu Infrastrukturfonds sind das Ausbleiben von Mega-Fonds (viele waren 2021 geschlossen worden) und die durch zweistellige Renditen attraktiver gewordenen Private Credit Fonds.

Investoren suchten jetzt eher regelmäßige, hohe Cashflows und setzten weniger auf Wertzuwächse bei den Assets, glaubt Carrera. Deshalb profitierten jetzt Private Credit Investments. Durchsetzen würden sich jetzt nur noch die naturgemäß wenigen Assetmanager mit einem großen Netzwerk, einer besseren Performance und einer besseren Datentransparenz. Das zeigt sich auch an der rasant gefallenen Zahl neuer Infrastrukturfonds. Die wenigen neuen brauchen auch noch viel länger von der Auflage bis zum Closing als früher.

Für das erste Halbjahr 2025 sieht das auf Private Markets spezialisierte Analysehaus Preqin erste Anzeichen eines anziehenden Marktes. Die Zahl der sich am Markt befindlichen Fonds habe zugelegt, insbesondere für Private Equity und Immobilien, aber eben, wenn auch in geringerem Maß, für Infrastruktur und Rohstoffe, schreibt Preqin-Aanlyst David Dawkins Ende Juli. Für Allianz-Analyst Carrera sprechen die fiskalischen Engpässe, ein stabileres makroökonomisches Umfeld und der Appetit der Investoren, Illiquiditätsrisiken einzugehen, für ein Comeback der Assetklasse Infrastruktur.

Deutschland als Beispiel

Am Beispiel Deutschlands lässt sich zeigen, wie groß der Bedarf an Infrastrukturfinanzierung ist, aber auch, welche große Hürden es gerade hierzulande gibt, diesen Bedarf mithilfe privatwirtschaftlicher Investoren zu befriedigen. Um allein die marode Autobahn-, Bahn- und Energieinfrastruktur zu sanieren, sind nach einer Studie von 2024 über zehn Jahre 400 Mrd. Euro erforderlich. Zwischen 1,1 und 1,5 Bill. Euro müssten aufgebracht werden, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Bei den Kommunen wird der Investitionsstau auf 186 Mrd. Euro geschätzt. Zweifellos kann das die öffentliche Hand allein nicht stemmen. Privates Kapital ist vonnöten und wird in dem 500 Mrd. Euro Infrastrukturpaket der Bundesregierung auch ausdrücklich angesprochen.

Die Portfolien deutscher institutioneller Investoren zeigen die zunehmende Bereitschaft, in Infrastruktur zu investieren. Nach einer repräsentativen Umfrage des Bundesverbands Alternative Investments (BAI) von 2024 bei 111 großen Investoren, in erster Linie Versicherer und Pensionskassen, haben sich 85% der Befragten bei Infrastructure Equity engagiert – immerhin die zweithöchste Quote nach Real Estate Equity (87%). Bei Infrastructure Debt sind es 49%. Von letzteren wollen die Hälfte ihr Engagement weiter ausbauen, 43,5% den Status Quo beibehalten. Beim Eigenkapital zeigen sich die befragten Investoren noch optimistischer: 57% wollen ihr bestehendes Engagement erhöhen, 34,9% es unverändert beibehalten.

Ernüchternd fällt allerdings die Analyse der Mittelallokation aus. Denn ein Großteil der Infrastrukturinvestitionen fließt ins Ausland. Das gilt für die Bereiche soziale Infrastruktur, Transport und Versorgung, die bei etwa der Hälfte der Infrastruktur-Investoren zum Portfolio gehören. Nur bei erneuerbaren Energien, immerhin aber der Sektor, in dem der größte Teil der Infrastruktur-Investoren aktiv sind, weist Deutschland einen nennenswerten Anteil auf. Tatsächlich geben vier von fünf deutschen Investoren an, überwiegend in Infrastruktur im Ausland zu investieren.

In Deutschland zögern Investoren aus mehreren Gründen. Die Risiko-Rendite-Strukturen seien im Vergleich zu Teilen des europäischen Auslands unattraktiver, heißt es im Infrastruktur-Report Deutschland 2025 des BAI. Es gebe zwar viele „supercore“ Assets, sprich äußerst stabile, aber sie weisen eine aus Investorensicht zu geringe Rendite aus. Als attraktiv für konservative Infrastrukturanleger werden Projekte mit einer internen Rendite (Internal Rate of Return, IRR) von 8 bis 10% genannt.

Die leidige Bürokratie

Als ein zentraler Hemmschuh für private Investitionen in Infrastruktur gelten die komplexen, langwierigen und bürokratischen Verfahren gerade bei den ja eigentlich für diese Art von Investitionen prädestinierten öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Genehmigungsverfahren und Umweltauflagen ziehen viele Projekte in die Länge oder lassen sie gar ganz scheitern.

Daneben wird in Deutschland privates Kapital in der öffentlichen Daseinsvorsorge grundsätzlich skeptisch gesehen. Dabei geht es um die Befürchtung, der private Partner streiche einen (unangemessen) hohen Gewinn ein, lasse die Risiken aber beim Staat. Entsprechende Beispiele gab es in der Tat in der Vergangenheit – sei es der Verkauf der Wasserversorgung oder von kommunalen Wohnungen, die dann teilweise Jahre später zu erheblich höheren Kosten wieder zurückgekauft wurden.

Daher wünschen sich die Investoren eine stärkere politische Unterstützung für ÖPP. Die Verfahren müssten transparenter und die Bürger stärker miteinbezogen werden. Es gehe um standardisierte Unterlagen, weniger Bürokratie und die Etablierung von Kontrollinstanzen. Als gutes Beispiel für erfolgreiche ÖPP gilt Frankreich.

Der BAI stellt in einer Befragung 2024 bei etwa einem Drittel der befragten Investoren die Bereitschaft fest, den Anteil deutscher Infrastrukturinvestments erhöhen zu wollen. Allerdings wollen etwas über die Hälfte (52%) an diesem Anteil nichts ändern.