Rohrpost nach London
Notiert in Frankfurt
Rohrpost nach London
Von Lutz Knappmann
Zugegeben: Auch mehr als 30 Jahre nach seiner Einweihung ist eine Fahrt durch den Kanaltunnel zwischen Frankreich und Großbritannien ein Erlebnis. Doch Entertainment allein ist wohl kaum der Grund, weshalb mancher Frankfurter dieser Tage voller Vorfreude an den Eurostar-Zug denkt.
Im fortwährenden Wettbewerb zwischen den europäischen Finanzplätzen wähnt sich die Main-Metropole ja aus allerlei Gründen im Schatten von Paris und London. Als ein Argument, warum die französische Hauptstadt einen Standortvorteil gegenüber Frankfurt hat, gilt deren direkte Zugverbindung nach London. Nur knapp zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt zwischen den beiden Finanzmetropolen – unschlagbar im Vergleich zu jedem anderen verfügbaren Verkehrsmittel.
Mindestens einmal umsteigen
Wer hingegen von Frankfurt in die britische Hauptstadt reist und dabei auf das Flugzeug verzichten will, der ist mindestens sechseinhalb Stunden unterwegs. Und das auch nur dann, wenn die deutsche Verbindung zum Umsteigebahnhof in Brüssel zur Abwechslung mal pünktlich ist.
Doch das könnte sich ändern. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ diese Woche herausgefunden hat, plant der Bahnbetreiber Eurostar eine Direktverbindung zwischen London und Frankfurt am Main. In nurmehr fünf Stunden könnten dann Finanzprofis zwischen dem hiesigen Bankenviertel und der Londoner City hin und her pendeln – und das bis zu viermal pro Tag.
Wobei im „dann“ schon der erste Dämpfer steckt: denn Eurostar blickt bei seinen Überlegungen, das Linienangebot auszubauen, weit ins kommende Jahrzehnt. Die Jungfernfahrt Frankfurt - London ist allenfalls in den „frühen Dreißigerjahren“ realistisch. Nicht nur, weil der Bahnbetreiber dafür erstmal seine Flotte aufstocken muss.
Kontrollen wie am Flughafen
Besonders aufwändig wird es, am Ausgangsbahnhof in Frankfurt die Infrastruktur für Zoll- und Passkontrollen einzurichten. Wir erinnern uns: Großbritannien ist nicht mehr Teil der EU. Und die Sicherheitskontrollen für die Reise durch den strategisch hochsensiblen Kanaltunnel sind hoch.
Schon seit Langem empfiehlt Eurostar seinen Passagieren in London, mindestens anderthalb, besser zwei Stunden vor der Abfahrt am Bahnhof St. Pancras zu sein, um den Anschluss nicht zu verpassen. Was den Reiz einer um ein bis zwei Stunden verkürzten Direktverbindung nicht unbedingt fördert. Auch wenn den Reisenden klar sein muss, dass sie bei einer Flugreise dieselben hoheitlichen Hürden zu überwinden haben. Stimmungsdämpfend wirkt auch die Tatsache, dass die glitzernde Metropolen-Bahn ihre Passagiere mitten im berüchtigten Frankfurter Bahnhofsviertel abliefern würde. Mit anderen Worten: Eine bessere Zugverbindung zwischen den Finanzplätzen allein wird Frankfurt nicht zum Primus adeln. Für Standortvorteile braucht es eben wirkliche Vorteile am Standort.