Trumps rätselhafte Lobby-Arbeit für Rohrzucker
Im Blickfeld
Trumps seltsame Lobby-Arbeit für Rohrzucker
US-Präsident Donald Trump hat die Vorzüge von Rohrzucker gegenüber Maissirup gepriesen und behauptet, er habe Coca-Cola dazu gebracht, den „echten Zucker“ zur Süßung zu verwenden. Der Softdrink-Anbieter erklärte zunächst, auf dem US-Markt auch künftig auf Maissirup in seinen Getränken zu setzen. Nun gab er bekannt, im Herbst eine Cola-Variante mit Rohrzucker-Süße auf den Markt zu bringen. Genau genommen hat also keine Seite gelogen. Dennoch wirft der rätselhafte Einsatz Trumps für Rohrzucker viele Fragen auf.
Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt
Vieles, was Donald Trump sagt und tut, gibt Rätsel auf. So hatte der US-Präsident jüngst auf seiner Plattform Truth Social behauptet: „Ich habe mit Coca-Cola über die Verwendung von echtem Rohrzucker in Cola in den Vereinigten Staaten gesprochen, und sie haben zugestimmt.“ Und weiter: „Das wird ein sehr guter Schritt von ihnen sein – ihr werdet sehen. Es ist einfach besser!“ Maissirup wird u.a. von US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy, Jr. als ungesund kritisiert. Vom Coca-Cola-Konzern hieß es zunächst, man schätze Trumps „Begeisterung für unsere Marke". Einen Tag später stellte das Unternehmen jedoch klar, dass auch künftig Maissirup in US-Getränken verwendet wird.
Am Dienstag dann die Auflösung: Der Softdrink-Riese kündigte mit der Vorlage seiner Quartalszahlen die Einführung eines Getränks unter der Marke Coca-Cola an, das mit einheimischem Rohrzucker gesüßt wird. Damit ist die Frage geklärt, ob der Konzern Maissirup komplett oder wenigstens zu einem großen Teil durch Rohrzucker ersetzen wird, wie Trumps Äußerungen nahelegten. Mehr als eine Cola-Variante mit „echtem Zucker“, wie Trump die Süße aus Zuckerrohr bezeichnete, wird es vorerst nicht geben. Sie soll im Herbst auf den Markt kommen.
Viele offene Fragen
Aus dem Vorgang ergeben sich mehrere Fragen: Wieso will Trump überhaupt, dass Maissirup durch Rohrzucker ersetzt wird? Als Verfechter gesünderer Lebensmittel hat er sich bislang nicht hervorgetan. Und wieso verprellt Trump mit seiner neuen Liebe zu Rohrzucker einen Teil seiner Kernwählerschaft: die Bevölkerung im Mittleren Westen der USA, insbesondere die Landwirte, die im großen Stil Mais anbauen? Nur um dem Coca-Cola-Konzern zu schaden? Denn Trump hat noch eine alte Rechnung mit dem Unternehmen aus Atlanta in Georgia offen, und Rohrzucker kommt – selbst ohne Einführung oder Erhöhung von Importzöllen – Coca-Cola deutlich teurer als Maissirup.

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Doug Mills/The New York Times
Experimente mit dem Kultgetränk Coca-Cola, insbesondere auf dem Heimatmarkt, sind hochriskant und schädigen leicht das Image. Denn die Rezeptur gilt seit der Erfindung durch John Pemberton 1886 als eines der am besten gehüteten Geheimnisse der US-Wirtschaft. Lediglich eine Mär ist wohl, dass nur zwei Führungskräfte die vollständige Rezeptur kennen und dass diese beiden Manager nie gemeinsam fliegen dürfen, damit diese bei einem Absturz nicht verloren geht. Der Konzern bezeichnete solche Gerüchte stets als „Unsinn“, räumte jedoch ein, „dass jeweils nur eine Handvoll von Personen innerhalb des Unternehmens die genaue Formel kennt“. Diese seien vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet. Bekannt sind nur die Grundzutaten: Wasser, Zucker und natürliche Aromen wie Koffein. Vor allem um die geheime Zutat „Merchandise 7X“ von Coca-Cola-Erfinder Pemberton ranken sich viele Mythen.
Desaster nach Rezepturänderung
Wie sensibel Konsumenten der braunen Brause selbst auf kleine Abweichungen von der Originalrezeptur reagieren, zeigte sich 1985, als Coca-Cola die „New Coke" einführte. Traditionalisten gossen daraufhin Flaschen und Dosen mit der neuen Cola medienwirksam in den Rinnstein. Nach anhaltenden Verbraucherprotesten ersetzte der Konzern die „New Coke“ wieder durch die „Coca-Cola Classic“ mit der Originalformel. Eine Änderung der Rezeptur für den US-Markt, und sei sie noch so gering, ist also ein großes Wagnis – sogar in Zeiten, in denen immer mehr Mischgetränke nachgefragt werden.
Der Umstieg von High Fructose Corn Syrup (HFCS), also Maissirup mit hohem Fruktoseanteil (ca. 55%), auf Rohrzucker wäre für die amerikanischen Limonadenhersteller ein Umbruch. Immerhin wird Maissirup in den USA seit den 1980er Jahren als Süßquelle für Softdrinks genutzt – und nicht nur vom Coca-Cola-Konzern mit seinen Marken Fanta, Sprite, Mezzo Mix und Lift, sondern auch von Rivalen wie Pepsico oder Keurig Dr Pepper.
HFCS wird hergestellt, indem Maisstärke zunächst in Glukose zerlegt und dann durch Enzyme teilweise in Fruktose umgewandelt wird. Softdrink-Hersteller in den USA präferieren HFCS, weil dieser süßer, länger haltbar und vor allem billiger als Rohrzucker oder Zucker aus Rüben ist – nicht zuletzt dank hoher Agrarsubventionen für die US-Maisproduzenten.
Sonderfall USA
Im Gegensatz zu den USA, wo Coca-Cola mit Maissirup gesüßt wird, kommt in anderen Ländern in der Produktion Haushaltszucker (Saccharose) zum Einsatz. Saccharose besteht zu jeweils 50% aus Glukose und Fruktose. Er wird zum Beispiel im US-Nachbarstaat Mexiko aus Zuckerrohr gewonnen und in Deutschland aus heimischen Zuckerrüben. Im Gegensatz zu klassischem Haushaltszucker, bei dem Glukose und Fruktose in Saccharose-Molekülen miteinander verbunden sind, liegt HFCS als freier Zucker vor.
Mais wird in gemäßigten Klimaregionen angebaut (u.a. USA, China und Brasilien), Zuckerrohr dagegen hauptsächlich in tropischen und subtropischen Regionen, da die Pflanze warmes Klima mit Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad Celsius benötigt. Zu den Hauptanbauländern zählen Brasilien, Indien, China, Thailand, Mexiko und Australien; der mit Abstand größte Zuckerexporteur der Welt ist Brasilien. Für Zuckerrüben sind gemäßigte Klimazonen am besten geeignet, vor allem Europa, Nordamerika und Teile Asiens. In Tonnen ausgedrückt produzierten die USA, Deutschland und Frankreich zuletzt etwa gleich viele Zuckerrüben. Mit Abstand an erster Stelle liegt aber Russland.
Gesundheitspolitische Debatten
Seit Jahren gibt es um Maissirup mit hohem HFCS-Anteil gesundheitspolitische Debatten. Studien haben gezeigt, dass mit steigendem HFCS-Konsum in den USA seit den 1970er Jahren auch die Fettleibigkeit stark angestiegen ist. Heute machen jedoch die meisten Fachgesellschaften – u.a. die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die American Medical Association (AMA) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) – nicht spezielle Zuckerarten, sondern die insgesamt erhöhte Kalorienzufuhr für Adipositas verantwortlich, speziell in den USA.
In Reaktion auf Trumps Ruf nach Rohrzucker bezog Coca-Cola auf X Stellung: Maissirup sei sicher, liefere ähnlich viele Kalorien wie Haushaltszucker und werde vom Körper vergleichbar verarbeitet. Auch die AMA, die größte Standesvertretung der Ärzte in den Vereinigten Staaten, habe bestätigt, der Sirup trage „nicht stärker zu Fettleibigkeit bei als andere Zuckerarten“.
Cola mit Rohrzucker ist teurer
Liegt es also am Geschmack, dass mexikanische Cola mit Rohrzucker („Mexican Coke“ oder „Coca-Cola de México“) bei vielen US-Bürgern hoch im Kurs steht? Sogar große Supermarktketten wie Walmart führen diese Marken, denen Verbraucher einen „natürlicheren“ Geschmack attestieren. Allerdings ist mexikanische Cola deutlich teurer als die normalen US-Varianten – und sie könnte künftig noch teurer werden. Trump hatte Mitte Juli angekündigt, vom 1. August an einen 30%-Zoll auf sämtliche Waren aus Mexiko zu erheben.
Der Verband der maisverarbeitenden Industrie in den USA (Corn Refiners Association, CRA) kritisierte Trumps Werben für Rohrzucker-Süße. Es ergebe keinen Sinn, den Sirup durch Rohrzucker zu ersetzen, sagte John Bode, President und CEO der CRA. Denn dies habe keinen Ernährungsvorteil, werde aber Tausende US-Jobs kosten, die Einkünfte der Agrarbetriebe drücken und die Einfuhren von ausländischem Zucker erhöhen.
In der Diskussion um die Süßung von Cola und anderer Limonaden geht es nicht um Peanuts. Der US-Softdrink-Markt (kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke, Säfte, Sportgetränke, abgefülltes Wasser und andere trinkfertige Getränke) hatte nach Angaben von Fortune Business Insights 2024 eine Größe von etwa 169,6 Mrd. Dollar. Für dieses Jahr wird ein Umsatz von rund 178,1 Mrd. Dollar prognostiziert, und bis 2032 soll er auf 246,9 Mrd. Dollar anwachsen, mit einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von knapp 5% zwischen 2025 und 2032.
Der rote Knopf – für Diet Coke
Der US-Präsident selbst ist weder Fan der klassischen Coca-Cola, noch der mexikanischen Cola-Variante. Trump bevorzugt „Diet Coke“, die künstliche Süßstoffe enthält. Nach seinem ersten Einzug ins Weiße Haus am 20. Januar 2017 ließ er sich sogar einen kleinen roten Knopf auf dem berühmten „Resolute Desk“ im Oval Office installieren. Wenn Trump ihn drückte, wurde ihm eine „Diet Coke“ gebracht, wie ein Financial-Times-Reporter damals berichtete. Nach seinem erneuten Einzug ins Weiße Haus Anfang des Jahres hat Trump Berichten zufolge den „Diet Coke"-Button, den Amtsvorgänger Joe Biden entfernen ließ, wieder anbringen lassen.
Schwieriges Verhältnis zwischen Trump und Coca-Cola
Das Verhältnis zwischen Trump und Coca-Cola ist seit langem konfliktbehaftet. Im Jahr 2012 wurden im US-Bundesstaat Georgia Gesetzentwürfe veröffentlicht, die zum Teil als diskriminierend gegenüber Minderheiten (insbesondere LGBTQ+ und religiösen Gruppen) empfunden und daher kritisiert wurden. Der dort ansässige Konzern ließ damals verlauten: „Coca-Cola unterstützt keinerlei diskriminierende Gesetze, weder in unserem Heimatstaat Georgia noch anderswo.“ Trump rief daraufhin öffentlich zum Boykott von Coca-Cola auf und schrieb auf Twitter (heute: X) gewohnt eloquent: „Das Coca-Cola-Unternehmen ist nicht glücklich mit mir – das ist okay, ich werde diesen Müll trotzdem weiter trinken.“
Coca-Cola-Aktie unbeeindruckt, Rückschlag für ADM von kurzer Dauer
Auf die im Dow Jones enthaltene Aktie von Coca-Cola hatte das Thema „Rohrzucker statt Maissirup“ keine erkennbare Auswirkung – auf die Titel des großen Maissirup-Produzenten Archer-Daniels-Midland (ADM) schon, wenn auch nur vorübergehend. Der Kurs rutschte nach der Ankündigung von Trump von gut 54 Dollar bis auf 52,24 Dollar, erholte sich aber rasch und kletterte am Donnerstag bis auf 55,80 Dollar.
Eine offene Frage ist, ob Trump, nachdem er mit Coca-Cola-Managern über das Thema „Rohrzucker statt Maissirup“ geredet hatte, sich der Einführung lediglich einer Cola-Variante bewusst war oder tatsächlich an eine vollständige Umstellung dachte. Anders als im Weißen Haus, wo er von Ja-Sagern und Erfüllungsgehilfen umgeben und daher vorbehaltlose Zustimmung und Gehorsam gewohnt ist, dürfte für die Führungskräfte des Getränkekonzerns eine vollständige Substitution von Maissirup nach Kenntnisnahme von Trumps Idee keineswegs beschlossene Sache gewesen sein. Wieso auch? Höhere Kosten und eine absehbare Revolte der Coke-Anhänger gegen eine neue Rezeptur dienen wohl kaum als Motivation zum Wechsel. Und auf Preisanhebungen eines solchen Massengutes könnten Kunden mit Abwanderung zu den ohnehin immer beliebter werdenden Fruchtsäften und Mineralwässern reagieren.
Tragweite nicht erkannt
Dass Trump Teile seiner treuesten Klientel – die ländlich geprägte Bevölkerung im „Corn Belt“ (Mais-Gürtel), einer Region im Mittleren Westen der USA – vor den Kopf stößt, lässt sich rational ebenfalls nicht erklären. So lange es nur um einen kleinen Teil des inländischen Cola-Angebotes geht, für den Rohrzucker verwendet wird, kann das aus heimischer Produktion gedeckt werden. Ganz anders sähe es aus, wenn es um größere Volumina ginge. Dass es Trump um langfristigen Subventionsabbau in der Landwirtschaft geht, hervorgerufen durch Aufgabe von Maisanbaubetrieben, kann wohl ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher ist, dass der US-Präsident – wie so oft – die Tragweite einer Äußerung oder eines Vorhabens nicht erfasst hat.
Dass der US-Präsident in den vergangenen Tagen nicht mehr auf das Thema „Rohrzucker statt Maissirup“ eingegangen ist, legt nahe, dass seine Berater ihm dringend davon abgeraten haben. Denn wenn Amerikaner neben einer neuen Krise in der US-Landwirtschaft eines nicht tolerieren würden, ist es die durch staatliche Einflussnahme hervorgerufene spürbare Verteuerung ihres Nationalgetränkes.