LeitartikelDeutsche Bank

Für Christian Sewing ist es Zeit für den großen Wurf

Einerseits hat Christian Sewing einen guten Job gemacht, indem er die Deutsche Bank stabilisierte. Andererseits fehlt der Funke, um mehr Wachstum zu erzeugen. Dieser Funke kann nur über das Wertpapiergeschäft erzeugt werden.

Für Christian Sewing ist es Zeit für den großen Wurf

DEUTSCHE BANK

Zeit für den großen Wurf

Von Björn Godenrath

Die Deutsche Bank muss sich endlich vom kleinen Denken lösen. Es ist Zeit, das Wertpapiergeschäft wieder auszubauen.

Aufsichtsratschef Paul Achleitner will Bankchef John Cryan loswerden, so hallte es Ende März 2018 durch die Presse. Und keine zwei Wochen später hatte Achleitner den Briten auch schon abserviert. Nachdem einige externe Kandidaten unter die Lupe genommen worden waren, fiel die Wahl für den Job an der Spitze der Deutschen Bank auf Privatkundenchef Christian Sewing. Sein Auftrag: Die Bank über die Kostenseite zu stabilisieren, gleichzeitig die Erträge zu steigern und das Institut stärker auf die Ursprünge des Firmenkundengeschäftes zu trimmen. Sein Anspruch: Die Deutsche Bank solle ihre „Jägermentalität“ zurückgewinnen.

Die Mission ist noch nicht erfüllt

Sieben Jahre später lässt sich feststellen, dass diese Mission nur zum Teil gelungen ist. Die Bank versprüht meist den biederen Charme einer Mittelstandsbank statt den einer Großbank mit Ambitionen auf überdurchschnittliches Wachstum. Das ist wohl auch die Folge einer Prägung durch ihren CEO, dessen Vertrag kürzlich bis zum Frühjahr 2029 verlängert wurde. Die hat er sich auch verdient; selbst wenn es einige Abzüge in der B-Note gibt, ist die Bank doch heute immerhin dividendenfähig und skandalfrei. Trotzdem darf man als Aktionär mehr verlangen.

Die Identität als Wertpapierhaus gehört bewahrt und gefördert

Wer die Zukunft skizzieren will, der muss aber zunächst Christian Sewings Mission sowie ihren Kontext verstehen. Dazu gehört das Wirken von John Cryan, der sich als Erster nach dem Josef-Ackermann-Desaster an Cost Cutting („Diese Bank hat noch nie gespart“, hieß es damals in einem Hintergrundgespräch) sowie das strukturelle Aufräumen heranwagte. Sewing hatte daran schlicht und einfach angeknüpft sowie das Investment Banking regulatorisch bedingt gestutzt. Das allerdings war konträr zur Identität der Bank, die im Kern ein Wertpapierhaus ist.

Position im Investment Banking weitgehend aufgegeben

„Was wir bewundern und nicht besitzen, ist die angelsächsische Kultur im Geldgeschäft.“ Das sagte der damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen Ende 1989. Was folgte, war der Eintritt ins globale Investment Banking – der dann am Scheideweg 2018 zurückgedreht wurde. Der damalige Investment-Banking-Leiter Marcus Schenck hatte Achleitner wissen lassen, dass seiner Ansicht nach die Deutsche Bank das einzige Geldhaus in Europa sei, das auch künftig eine der weltweit führenden Investmentbanken sein könne.

Es gibt nur einen Hebel für eine mutige Equity Story

Das ist die Deutsche Bank heute nicht mehr, aber die Sum-of-the-Parts-Analyse zeigt, dass einzig das Wertpapiergeschäft dem Institut eine Chance auf Exzellenz eröffnet. Mit dem deutschen Retailgeschäft ist kein Blumentopf zu gewinnen, das Firmenkundengeschäft ist zwar eine tragende Säule, aber leider mit begrenzten Wachstumsmöglichkeiten – und taugt damit nicht als Anker für eine mutige Equity Story.

Überdurchschnittlicher Ergebnisbeitrag

Und statt sich weiter im Mikromanagement zu verlieren, sollte die Deutsche Bank die Anregung von Oliver Behrens, Präsident von Frankfurt Main Finance, aufnehmen. Um aufzuholen gegenüber ausländischen Banken, müssten die deutschen Institute das Wertpapiergeschäft ausbauen, sagt er. Nur das kann der Hebel sein für die Deutsche Bank – und strategisch gedacht, würden damit die Stärken gestärkt. Denn heute steht das Investment Banking zwar nur für ein Drittel der Erträge, trägt aber fast zwei Drittel zum Vorsteuergewinn bei.

M&A-Gelegenheiten nutzen

Was das heißt, liegt auf der Hand: Statt ständig eine Balance zu versuchen, die den Marktwert kaum beflügelt, sollte die Deutsche Bank Ausschau halten, wie sie ihr Wertpapiergeschäft vergrößern kann. Das geht auch über M&A, um transformatorisch in der Wahrnehmung des Kapitalmarktes zu wirken. Die für 8 Mrd. Euro der Deutsche-Bank-Marktkapitalisierung von 49 Mrd. Euro stehende Tochter DWS will schon lange zukaufen. DWS-Chef Stefan Hoops erklärte kürzlich, dass sich jetzt Kaufgelegenheiten ergeben könnten. Das wäre immerhin ein erster M&A-Baustein – und es würde dem Anspruch der „Jägermentalität“ gerecht. Es mag ja sein, dass die Forderung nach mehr Wertpapiergeschäft in der öffentlichen Debatte bislang kaum stattfindet. Aber Contrarians behalten langfristig nicht selten recht. Und der Deutschen Bank täte eine solche Debatte sicher gut.

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