Wenn der Berg den Finanzinvestor ruft
Wenn der Berg den Finanzinvestor ruft
Die Schweiz übt eine große Anziehungskraft auf Private-Equity-Manager aus. Prominente Führungskräfte aus Deutschland von CVC, Cinven und Bregal sind dorthin umgezogen oder gerade dabei.
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Daniel Pindur hat ein Vermögen mit Transaktionen in der deutschen Industrie für seine Kunden und sich selbst gemacht. Der Managing Partner von CVC, der seit 20 Jahren für die in Amsterdam gelistete Private-Equity-Firma arbeitet, hat hierzulande viele lukrative Unternehmensbeteiligungen erworben und gewinnbringend wieder verkauft. Als Co-Chef für den deutschsprachigen Raum neben Alexander Dibelius war er beispielsweise an dem Deal beteiligt, mit dem CVC den familiengeführten Industriegasekonzern Messer in eine neue Dimension katapultierte, indem milliardenschwere Teile des Konkurrenten Linde/Praxair in Amerika übernommen wurden.
CVC ist beteiligt am Krankenhaus-IT-Spezialisten Compugroup, am Tankkartenanbieter DKV und an der Parfümeriekette Douglas. Pindur ist also gleichsam auf Du und Du mit großen Adressen der deutschen Industrie. Die Nähe war Teil des Erfolgs.
Familie verlässt Frankfurt
Doch jetzt wird er im Sommer mit seiner Familie von Frankfurt in die Schweiz umziehen. Auf Anfrage wollen weder CVC noch Pindur das kommentieren. Aus Kreisen des Finanzinvestors heißt es erläuternd, es handele sich um eine rein private Entscheidung mit familiärem Hintergrund. Er bleibe auch in Deutschland steuerpflichtig. An seiner Arbeit bei CVC werde der Umzug nichts ändern.
Pindurs Entscheidung ist kein Einzelfall. Vor ihm ist bereits Bruno Schick, Co-Managing-Partner bei Cinven, vor einem Jahr von Frankfurt in die Schweiz umgezogen. Auch hier will Cinven keinen Kommentar dazu abgeben, warum der 54 Jahre alte Manager in die Schweiz wechselte. Auch Cinven ist eine große Nummer in der deutschen Industrie und sucht die Nähe zu den hiesigen Unternehmen.
Zwei Brüder umgezogen
Die Private-Equity-Firma ist unter anderem an dem großen Aufzugshersteller TK Elevator mit einem Unternehmenswert von fast 20 Mrd. Euro maßgeblich beteiligt. Auch der Generikakonzern Stada aus Bad Vilbel gehört Cinven zusammen mit Bain. Schick ist Mitglied des Aufsichtsrats bei dem Konzern, der im Herbst an die Börse gehen soll. Nur im Hintergrund heißt es aus Kreisen von Cinven zu Schicks Umzug: Seine Funktion als Leiter des Teams für die deutschsprachige Region und Co-Managing Partner bleibe unverändert.
Ebenfalls in die Schweiz umgezogen ist Schicks Bruder Florian, Co-Gründer und Managing Partner bei BU Bregal Unternehmerkapital. Offiziell nehmen Bregal und er selbst keine Stellung zu den Gründen. Aus Branchenkreisen ist aber zu erfahren, es handele sich auch hier um einen familiären Hintergrund.
Bregal hat auch Sitz verlegt
In diesem Fall hat allerdings im vergangenen Jahr auch gleich die ganze Firma Bregal ihren Hauptsitz von München in die Schweiz verlegt. Bereits 2023 hatte Bregal Unternehmerkapital ein eigenes Büro in der Schweiz eröffnet – und zwar in Zug. Die lokale Präsenz sollte nach eigener Aussage dabei helfen, den „spannenden Schweizer Markt“, in dem Bregal bereits mehrere Portfoliofirmen hat, weiter auszubauen – allerdings wurden dort seit 2022 nur zwei Akquisitionen gemacht. Bereits vor vier Jahren sei das Büro Mailand für den norditalienischen Markt eröffnet worden. Weiterhin bestünden die Büros in München und London. „Tatsächlich halten wir es bei BU so, dass die Wahl des Wohnsitzes eine private Entscheidung des einzelnen Mitarbeiters ist“, teilt die Private-Equity-Firma mit.
Auch wenn das nicht unmittelbar eine Rolle für den Umzug von Bregal gespielt hat: München war in den vergangenen Jahren kein leichtes Terrain für die kleineren deutschen Private-Equity-Firmen, die dort angesiedelt sind. Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen etliche Adressen. Es geht um den Unterschied der steuerlichen Einordnung als gewerbliches Unternehmen oder als Vermögensverwalter. Das zerrüttet seit Jahren die Nerven mancher Manager und Gründer vor Ort. Bregal zählt indes nicht zu den Beschuldigten.
Sicher und unkompliziert
Es gibt viele gute Gründe in die Schweiz umzuziehen. Die schöne Landschaft und der hohe Lebensstandard sind da noch die unbedeutendsten Argumente. Das Land gilt auch als besonders sicher mit einer niedrigen Kriminalitätsrate und verfügt über eine hervorragende Gesundheitsversorgung. Auch die Infrastruktur ist wesentlich besser als in vielen Teilen Deutschlands – insbesondere die Schweizer Bahn muss keinen Vergleich mit der Deutschen Bahn scheuen.
Nicht nur mit Blick auf eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur schneidet Deutschland im Vergleich schlecht ab. Auch wenn es um die Besteuerung des Carry geht – also die Gewinnbeteiligung beim Verkauf von Unternehmensbeteiligungen als Anreiz für Private-Equity-Manager – ist das Leben in Deutschland für Finanzinvestoren kein Zuckerschlecken. Was rechtens ist und was die Finanzverwaltung im einzelnen Fall für rechtens hält, kann zumindest anhand der bisherigen Rechtsprechung nicht gänzlich abschließend beurteilt werden. Mindestens fällt die Kapitalertragsteuer an, im schlimmsten Fall sogar die Besteuerung mit dem höheren Einkommensteuersatz.
Komplizierte Carrys
Der Anreiz für den Private-Equity-Manager („Carry“) wird meist so gesetzt, dass er 20% des Gewinns aus dem Fonds nach Erreichen einer Vollrückzahlung einschließlich Vorzugsrendite erhält. Dafür wird ein Schwellenwert – im Fachjargon „Hurdle Rate“ – festgelegt, deren Überschreitung zur zusätzlichen finanziellen Belohnung führt, die über die kapitalmäßige Beteiligung hinausgeht. „Strittig ist, ob es sich beim Carry um einen disproportionalen Gewinnanteil aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft oder um eine (voll steuerpflichtige) Tätigkeitsvergütung handelt“, konstatiert Mimoun Houbbani, Steuerberater und Associate Partner der Kanzlei Rödl & Partner in einem Aufsatz aus dem Jahr 2023. Fraglich sei, ob der Carry als Ergebnisanteil zu qualifizieren sei und somit das steuerliche Schicksal der zugrundeliegenden Einkünfte teilt oder ob der Carry in ein Entgelt für einen Leistungsaustausch, das heißt in eine erfolgsabhängige Tätigkeitsvergütung, umzuqualifizieren und damit der vollen Besteuerung zu unterwerfen sei. „Der Carry sollte dem Grunde nach als besonderer Ergebnisanteil anzuerkennen sein“, so Houbbani. „Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Besteuerung von Carrys nach wie vor zu kontroversen Diskussionen mit der Finanzverwaltung führt.“
Mit solch abschreckend komplizierter Besteuerung steht Deutschland indes nicht allein da in Europa. Es gibt auch eine Karawane von London nach Mailand. Laut dem Branchenmedium Private Equity News plant einer der reichsten britischen Private-Equity-Bosse einen Umzug nach Italien.
Von London nach Mailand
Rolly van Rappard, der milliardenschwere Mitbegründer und Aufsichtsratsmitglied des Buyout-Riesen CVC, erwäge laut Insidern einen Umzug von London nach Mailand. Er habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen und sei noch dabei, seine Optionen zu prüfen. Der mögliche Umzug erfolge vor dem Hintergrund der Befürchtung, dass vermögende Privatpersonen das Vereinigte Königreich aufgrund der jüngsten Steuererhöhungen der Regierung verlassen, zu denen die Abschaffung der Steuervergünstigungen für Personen ohne Wohnsitz in Großbritannien und die Erhöhung der Kapitalertragssteuer gehören.
Mehrere Umzüge
Die Erwägungen van Rappards folgten auf mehrere andere hochkarätige Abgänge in der Private-Equity-Branche: Anfang Mai berichtete Private Equity News, dass Soren Christensen, ein Partner, der das Kapitalmarktteam bei Cinven leitet, nach Mailand umgezogen ist, und Bloomberg berichtete, dass Francois de Mitry, der Chief Investment Officer bei Astorg, ebenfalls nach Italien umgezogen sei.