Zucchini-Inflation und andere Gespenster im Garten
Wer sich derzeit auf dem Land aufhält oder auch nur in der Nähe einer Gartenanlage: Aufgepasst! Selbst völlig fremde Kleingärtner versuchen derzeit, flanierenden Spaziergängern, die einen Blick über den Zaun wagen, einen Teil ihrer üppigen Ernte aufs Auge zu drücken: Salatgurken etwa. Angepriesen als „Bio-Qualität“ und garantiert unbehandelt. Oder Zucchini, vor allem Zucchini.
Ich weiß das, weil ich es selbst versucht habe. Nach zwei Jahren Wartezeit war endlich eine Parzelle in einer Kleingartenanlage in Wiesbaden mein. Im Überschwang der Freude, den völlig mit Pflanzen überladenen Balkon entlasten zu können und Selbstversorger zu werden, wurden Zucchini-Samen ausgesät, gehegt und gepflegt und schließlich – klein und unscheinbar noch – in den Garten gesetzt. Außerdem natürlich auch Gurken, Honigmelonen (ja, auch das wächst ohne Probleme in Wiesbaden am Rhein), Bohnen, Brokkoli und Tomaten. Damit die Ernte sicher schien, wurden ein paar Pflänzchen mehr ausgewildert, man weiß ja schließlich nie. Eine kleine Bewässerungsanlage zum Wassersparen und für punktgenaues Gießen tat ihr Übriges.
Das erste eigene Gartengemüse wurde noch bejubelt, stolz verkocht und als „besonders lecker“ deklariert. Doch inzwischen ist die Zucchini-Inflation in vollem Gang. So viele Zucchini, dass man den Wert nicht mehr zu schätzen weiß. Die Nachbarn im Hausflur schmunzeln nur noch über den Korb mit dem von Hand geschriebenen „Zu verschenken“-Schild, der auf der Treppe vereinsamt. Sie winken lachend ab, haben sie doch erst gestern eine frische Zucchini aus dem Garten bekommen.
Der Kühlschrank platzt aus allen Nähten und die längst über den Weg gewucherten Zucchinipflanzen denken nicht mal dran, mit dem ständigen Nachschub aufzuhören. Zucchini-Suppe, Zucchini-Relish und gewürfelte Zucchini sprengen inzwischen auch das Gefrierfach. Während alle Welt unter der derzeit rekordhohen Inflation ächzt, stöhnt der Kleingärtner zusätzlich noch über die schier endlose Gemüseinflation.
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Und auch sonst gilt: Augen auf beim Gartenkauf! Dem einen fällt es womöglich nach Jahrzehnten der Pflege schwer, sich von seiner Parzelle zu trennen. Er weist den Nachbesitzer auf alle Sonderheiten hin: Hier bitte nicht hintreten, da wachsen kleine Blumenzwiebeln, die man noch nicht sehen kann. Ja, die Schwertlilien sehen momentan aus wie Mehlwürmer, aber im Hochsommer sind sie wunderschön. Da hinten das ist kein Unkraut, das sind Heidelbeeren, die kommen im Sommer wieder. Versprochen!
Der andere ist froh, endlich nicht mehr Abend für Abend im Garten gießen, Unkraut jäten und die gemeinschaftlichen Aufgaben der Anlage – wie die Pflege der gemeinsamen Wege – erledigen zu müssen. Da wird ein ehemaliger Teich mal eben zugeschüttet, weil er sich sonst wertmindernd auf den Weiterverkauf ausgewirkt hätte. Und zwar mit dem, was halt grade da ist.
Ein kleiner, bunt lackierter Frosch aus Metall, die garantiert wasserundurchlässige vierfach verlegte Teichfolie, ein kaputter Plastikeimer mit einer alten Seerose und natürlich jede Menge Äste vom vergangenen herbstlichen Baumschnitt. Obendrauf eine dünne Schicht vermeintlich guter Boden, fertig ist die Wertsteigerung. Umso ärgerlicher für den Nachmieter, der die Sauerei dann erst einmal aufräumen darf.
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Dafür birgt ein Schrebergarten aber auch positive Überraschungen. Die kleinen Blumenzwiebeln vom Vorbesitzer mausern sich dank etwas Pflege zu wunderschönen Pfingstrosen. Der Baum, von der Schwester aufgrund des verwegenen Wuchses liebevoll „Verstümmelchen“ getauft, entpuppt sich als Aprikosenbaum – mit immerhin vierzehn Früchten. Die bis dato nur mit wenig Liebe bedachte Erdbeerecke macht mit kiloweise roten Versuchungen auf sich aufmerksam. Und die Wildkamera zeichnet einen Fuchs auf, der wohl auf der Suche nach hungrigen Kaninchen gespenstisch durch das Karottenbeet streift. Es lohnt sich.