Im Handelsstreit tickt die Uhr
Im Handelsstreit
tickt die Uhr
Chefunterhändler Šefčovič zu Gesprächen in Washington
fed Frankfurt
Die Europäische Union und die USA arbeiten nach Angaben der EU-Kommission unter Hochdruck an einer Verständigung. Denn der 9. Juli rückt immer mehr in Sichtweite – an diesem Stichtag endet die Phase, die sich beide Seiten gegeben haben, um doch noch zu einem Kompromiss zu gelangen und auf die Verhängung von hohen US-Zöllen auf EU-Exporte in die USA und auf Gegenmaßnahmen der EU zu verzichten.
Zu Wochenbeginn ist bereits eine so genannte technische Delegation in die US-Hauptstadt aufgebrochen, also EU-Fachbeamte der Generaldirektion Außenhandel. Am Mittwoch ist der Chefunterhändler der Europäer, EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič seinen Kollegen gefolgt und direkt aus der Türkei nach Washington geflogen. Am Donnerstag trifft er US-Handelsminister Howard Lutnick und den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer zu Gesprächen. Beide Seiten haben zuletzt relativ wenig Signale gegeben, wie weit sie noch von einer Verständigung entfernt sind. Nichts sei entschieden, solange nicht alles entschieden sei, lautet die in diesen Fällen übliche Ansage in Brüssel.
Die jüngste Entscheidung Kanadas, die Steuer auf digitale Dienstleistungen in buchstäblich letzter Sekunde zurückzuziehen, hatte Spekulationen befeuert, dass es auch in den transatlantischen Verhandlungen zwischen der EU und der USA vorrangig um die Behandlung von US-Tech-Riesen in Europa gehe. In Reaktion auf Medienberichte hatte EU-Vizepräsidentin Teresa Ribera klargestellt, dass „EU-Gesetzgebung nicht verhandelbar“ sei und weder der Digital Markets Act noch der Digital Service Act bei den Handelsgesprächen „auf dem Tisch“ sei. An den Gesetzestexten werde kein Iota geändert, unterstrich ein Sprecher der EU-Kommission. Das schließt freilich nicht aus, dass die EU den US-Technologieriesen informell entgegenkommt, etwa durch gegenseitige Konsultationen zum Thema.
Wenig Hoffnung auf Zero-for-Zero
Der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagene gegenseitige vollständige Verzicht auf Zölle („zero-for-zero“) scheint aktuell in weiter Ferne gerückt. Es wäre zumindest überraschend, wenn sich beide Parteien darauf einigen würden. Denn die jüngsten Aussagen europäischer Regierungschefs lassen vermuten, dass bereits eine Deckelung der US-Einfuhrzölle nahe 10% aus EU-Sicht hinnehmbar wäre. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte zuletzt wiederholt dafür geworben, eine schnelle Einigung einer perfekten Verständigung vorzuziehen – auch aus Angst vor einer Hängepartie, die vor allem für in Deutschland wichtige Branchen wie Auto oder Stahl eine schwere Belastung darstellen würde.