Konzerne sind gewappnet
Inflation
Konzerne sind gewappnet
Die Teuerungsrate scheint im Griff zu sein. Firmen trauen dem Frieden nicht. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie zum nächsten Inflationsschub beitragen.
Von Michael Flämig
Die Inflation ist für die breite Bevölkerung kein drängendes Thema mehr. Bei Unternehmen sieht dies anders aus. Der Schock der abrupten Preissteigerungen der Jahre 2021/2022 sitzt den Vorständen und Geschäftsführern in den Knochen. Im nächsten Jahr könnte eine neue Runde von Preissteigerungen kommen. Doch die Ausgangslage hat sich im Vergleich zur Corona-Zeit verändert. Die Firmenlenker wollen sich nicht nochmals überraschen lassen.
Das Problem: Es gibt keinen Konsens, wie es mittelfristig mit der Teuerungsrate weitergeht, nachdem sich die Lage aktuell entspannt hat. Die Zollpolitik entwickelt sich zu einer unkalkulierbaren Größe. Eigentlich sollten die Preise steigen, wenn die USA ihre Pläne umsetzen können. Andererseits spielt aus europäischer Sicht auch der Wechselkurs zum Dollar eine Rolle, zudem sinken mit dem Wirtschaftswachstum die Preise für fossile Energien.
Psychologisches Moment greift
Die Europäische Zentralbank versucht derweil, die Inflationserwartungen zu managen. Das Ziel ist, dass die Bürger sicher sind: Die Notenbanker führen die Rate zuverlässig in eine Größenordnung von 2% zurück. Für Unternehmen aber ist es keine Option, dieser Vorgabe einfach zu vertrauen.
Die Manager müssen in ihren Budgetplanungen 2026 eine relevante Teuerung berücksichtigen, und zwar auch auf der Absatzseite. Viele Führungskräfte haben kürzlich ein Desaster erlebt. Unternehmen können die Zollkosten nicht unmittelbar an die Kunden weitergeben, dies droht die Gewinne 2025 zu schmälern. Teils mussten die Firmen Belastungen in Milliardenhöhe ansetzen.
Damit greift ein psychologisches Moment, das die Inflationsmodellierungen wenig berücksichtigen. Firmen werden die Preise schon aus Gründen der Vorsicht eher forciert anheben. Selbstredend hat dies seine Grenzen, wenn Marktanteile in Gefahr geraten. Aber der Wettbewerb entspannt sich in vielen Branchen dadurch, dass die Staaten wie Deutschland für Ausgabenprogramme sehr hohe Schulden wagen. Wenn die USA ihre Budgetplanung endgültig verabschieden, wird der „Big beautiful bill“ dort zu einer Nachfrage-Bonanza führen, aber ebenfalls zu einem großen, unschönen Inflationssprung. Dieses Risiko wird unterschätzt.
Teuerung ist salonfähig
Die Marktlage hat sich im Vergleich zu den Zehnerjahren verändert. Damals reagierten Kunden allergisch auf höhere Preise. Die Logik: Jeder musste steigende Herstellkosten durch eine verbesserte Produktivität kompensieren. Jedoch seitdem 2022/2023 die höchsten Inflationswerte des Jahrhunderts erreicht wurden, sind moderate Preissteigerungen wieder salonfähig geworden.
Diese Akzeptanz gibt es nicht nur bei Privatkunden, sondern auch bei großen Firmen. Dies zeigt das Beispiel Krones. Der Maschinenbauer liefert Getränkeabfüll- und Verpackungsanlagen an die oligopolistisch strukturierte Branche der Bierbrauer und Limonadenhersteller. Noch 2018 kämpfte das Management teils erfolglos damit, die erste Preiserhöhung seit damals fünf Jahren durchzusetzen. Mittlerweile gibt es derartige, groß angelegte Runden gar nicht mehr. Der Maschinenbauer hat aus den Erhöhungen einen kontinuierlichen Prozess gemacht. Die Kunden schlucken es.
Firmen sind vertraglich vorbereitet
Neu ebenfalls: Die Lieferverträge der meisten Firmen sehen vor, dass Kostensteigerungen durchgereicht werden. Vorbei sind die Zeiten, in denen beispielsweise Windkrafthersteller auf rasant gestiegenen Kosten für Stahl&Co. sitzenblieben. Zudem sind manche Konzerne relativ gelassen, wenn es um Zölle geht. Inflationäre Tendenzen wolle man zwar nicht befeuern, heißt es bei etwa Siemens, man könnte aber die entsprechenden Hebel umlegen – also die Preise erhöhen. Wie gut dies funktioniert, zeigen die Sachversicherer allerorten, die mittlerweile jenseits der Autoversicherung hervorragende Profitabilitätswerte erreichen.
Die Konzerne sind also gewappnet für den nächsten Inflationsschub. Vor allem jene Firmen, die ihre Lieferketten im Griff haben und als Marktführer über Preissetzungsmacht verfügen, werden noch rentabler werden. Allerdings könnten ihre höheren Absatzpreise die Inflation erst recht anheizen.