Cum-ex-Urteil mit schalem Beigeschmack
Cum-ex
Schaler
Beigeschmack
Von Anna Sleegers
Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt, sagt man. Das Gleiche scheint für die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-ex-Skandals zu gelten. Kronzeuge Kai-Uwe Steck jedenfalls hat alle Register gezogen. Und es hat sich gelohnt: Der 53-jährige Anwalt verließ die eigens für die Prozessserie errichtete Außenstelle des Landgerichts Bonn als freier Mann. Wenn auch auf Bewährung.
Im Gegensatz zu seinen zu langen Haftstrafen verurteilten Mittätern, allen voran sein früherer Kanzleipartner Hanno Berger, entschied sich Steck 2016, mit den Ermittlern zu kooperieren. Er gab nicht nur seine Komplizen preis, sondern erläuterte den Staatsanwälten auch die komplexen Konstrukte aus Leerverkäufen und Aktiengeschäften, mit deren Hilfe seine Klienten sich die Erstattung von Steuern erschleichen konnten, die sie niemals entrichtet hatten.
Unabdingbare Hilfe bei Aufarbeitung
Staatsanwälte sind meist keine Kapitalmarktexperten. Wahrscheinlich zu Recht hob die Begründung des milden Urteils daher darauf ab, dass eine Aufklärung der Verbrechen ohne Stecks tatkräftige Unterstützung unmöglich gewesen wäre. Die Steuerzahler wären in diesem Fall auf einem Schaden in hoher dreistelliger Millionenhöhe sitzengeblieben. Womöglich hätten Investoren, Banken und Kanzleien die Geschäfte weiterbetrieben. Denn der Rechtsstaat wäre auf sich gestellt wohl nicht in der Lage gewesen, das kriminelle Treiben zu durchschauen, geschweige denn zu unterbinden.
Trotzdem hat das Urteil einen schalen Beigeschmack. Schließlich häufte der Anwalt ein geschätztes Vermögen von 50 Mill. Euro an, indem er seine Klienten fachkundig bei der Steuerhinterziehung beriet. Nur einen Teil davon fordert das Gericht zurück. Nachdem er seine früheren Komplizen für Jahre hinter Gitter gebracht und finanziell ruiniert hat, gerierte sich Steck in einer weiteren Kehrtwende als Opfer falscher Versprechen. Nicht einmal seine noch schulpflichtige Tochter hielt er aus seinen mit Krokodilstränen getränkten Auslassungen heraus.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Aussagen von Kronzeugen das Bedürfnis wecken, sich die Hände zu waschen. Der Gesetzgeber sollte sich aber die Frage stellen, wie sich der Rechtsstaat mit einem derart komplexen Steuersystem verträgt. Denn eigentlich sollte die Qualifikation von Staatsanwälten ausreichen, um es ohne fachliche Hilfe von Kriminellen zu durchdringen.
Die Bewährungsstrafe für den Cum-ex-Kronzeugen wirft die Frage auf, ob ein komplexes Steuersystem sich mit dem Rechtsstaat verträgt.