CFO-Nachfolge geregelt

Bayer holt Judith Hartmann in den Vorstand

Nachfolge geregelt: Mit Judith Hartmann bekommt Bayer im kommenden Juni eine neue Finanzchefin. Die international erfahrene Managerin sucht auch privat die Herausforderung.

Bayer holt Judith Hartmann in den Vorstand

Die Gipfelstürmerin

Von Annette Becker, Köln

Ein halbes Jahr vor dem geplanten Abschied von Finanzchef Wolfgang Nickl hat Bayer die Nachfolge geregelt. Die Wahl fiel auf Judith Hartmann. Ihren Dienst im Vorstand tritt die 56-Jährige im März an, bevor sie im Juni den CFO-Posten übernimmt. Bildlich gesprochen sind es luftige Höhen, in die Hartmann aufsteigt. Ihr Vorgänger Nickl, der mit der Hauptversammlung 2026 aus freien Stücken geht, hatte jedenfalls vom ersten Tag an alle Hände voll zu tun, die dramatischen finanziellen Folgen der Monsanto-Übernahme in den Griff zu bekommen. Gelöst ist das Problem der kostspieligen US-Rechtsstreitigkeiten bis heute nicht – was allerdings weniger an Nickl liegt.

Das schreckt die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin jedoch keineswegs. Auch privat sucht sie die Herausforderung: „Ich bin in jeder freien Minute in den Bergen, im Sommer als Bergsteigerin, im Winter als Skifahrerin“, sagt sie im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dabei darf es gerne auch hoch hinausgehen. Erst Anfang dieses Jahres hat sie den Gipfel des Aconcagua in den argentinischen Anden erklommen, mit knapp 7.000 Metern der höchste Berg Amerikas und der höchste außerhalb Asiens. Mit dünner Luft versteht Hartmann also umzugehen.

Viel Energie

Wie ihr Vorgänger ist die international erfahrene Managerin in Corporate Germany ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Nur gut zwei Jahre arbeitete sie als Finanzchefin für den Medienkonzern Bertelsmann, davor war sie bei GE Deutschland für die Finanzen verantwortlich. Bei dem US-Mischkonzern ist die gebürtige Österreicherin beruflich aufgewachsen, mit Stationen in den USA, Belgien und Brasilien. Dort kam sie auch erstmals mit dem Gesundheitsgeschäft (GE Healthcare) in Berührung. „Mich reizen die Themen Gesundheit und Ernährung, zumal Bayer eine Größe hat, mit der man überall sehr viel bewirken kann“, gibt es Vorschusslorbeer für den künftigen Arbeitgeber.

Kulturell engagiert

Nach ihrer eher glücklosen Zeit in Gütersloh fand sie nahtlos Anschluss beim französischen Versorger Engie (ehemals GDF Suez), wo sie im März 2015 als Finanzchefin antrat. Neben der globalen Verantwortung als CFO leitete sie auch das operative Geschäft in Nordamerika, Großbritannien und Irland. Zudem fungierte sie bei Engie als Interim-Co-CEO.

Seither lebt sie in Versailles. Das trifft sich gut, denn Hartmann ist auch kulturell engagiert. Sie malt selbst und unterstützt gleichzeitig andere Künstler. Dass sie sich auf ihre neue Aufgabe freut, kommt mit jedem Satz zum Ausdruck: „Ich scheue mich nicht vor Herausforderungen. Da es, wie bei Bayer, immer auch mit Chancen verbunden ist, wird es viel Spaß machen. Da bin ich sicher.“

Mission Statment überzeugt

Wie Vorstandschef Bill Anderson hat es auch Hartmann das Mission-Statement von Bayer „Health for all, hunger for none“ angetan. „Für mich ist wichtig, dass ich das Gefühl habe, wirklich etwas bewegen zu können“, sagt sie und zieht die Parallele zur Energiebranche, in der sie seit 2015 unterwegs ist. Nach acht Jahren bei Engie wechselte sie 2023 als Operating Partner zu Sandbrook Capital, einer privaten Investmentfirma, die Klima-Infrastrukturunternehmen aufbaut. Auch hier geht es ausschließlich um Energiethemen, wie der Blick in die Liste der Portfoliounternehmen zeigt.

Zahlreiche Aufsichtsmandate

Ohnehin macht Hartmann zwischen den Geschäften Gesundheit und Energie viele Gemeinsamkeiten aus, die wohl mehr als zufällig ihrem Naturell entgegenkommen. Denn in beiden Gebieten gelangt man nur ans Ziel, wenn man einen langen Atem mitbringt. Zugleich verfügt die neue Finanzchefin von Bayer über reichlich Erfahrung aus Aufsichtsratstätigkeiten. So gehörte sie neun Jahre lang dem Board von Unilever an.

Daneben trat sie 2023 ins Board von Marsh McLennan, einem führenden Berater im Thema Risk Management, ein. Im selben Jahr kehrte sie in den Aufsichtsrat von Suez zurück, dem sie zuvor schon fünf Jahre lang (2015 bis 2020) angehört hatte. Ein besonderes Mandat zog sie 2025 an Land, ist sie seit diesem Jahr doch auch Mitglied im Aufsichtsrat der dänischen Ørsted. Der weltgrößte Betreiber von Offshore-Windparks ist mit seinem US-Geschäft in die Fänge der US-Administration geraten, die der Grünstromerzeugung auf See ein Ende bereiten will.

„Mit Leib und Seele“

Dass sie all diese, vielfach zeitraubenden Mandate auch künftig behält, ist äußerst unwahrscheinlich. Missen möchte sie Erfahrungen jedoch nicht. Es sei sehr lehrreich, die unterschiedlichen Rollen als Executive und Non-Executive Dircetor hautnah zu erleben, sagt Hartmann. Mit ihrem Wechsel zu Bayer schlägt die Managerin, die in ihrem Berufsleben in der ganzen Welt herumgekommen ist, jedoch ein neues Kapitel auf. „Ich werde mich mit Leib und Seele Bayer widmen“, bekennt sie ganz offen. Dazu gehört für Hartmann auch, vom Zuhause in Versailles Abschied zu nehmen. Noch nicht entschieden ist allerdings, ob sie und ihr Mann die Zelte künftig in Leverkusen oder Düsseldorf aufschlagen.

Angesichts solcher Commitments ist Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann natürlich voll des Lobes: „Judith Hartmann bringt strategische Weitsicht und operative Umsetzungsstärke mit. Im Laufe ihrer Karriere hat sie ihre transformativen Führungsqualitäten unter Beweis gestellt.“ Winkeljohann gelingt mit der Personalie ein weiterer Schachzug, gehören dem sechsköpfigen Vorstand künftig doch zwei Frauen an. Personalchefin und Arbeitsdirektorin Heike Prinz ist seit September 2023 Teil des Führungsgremiums.