Berlusconi beherrscht jetzt auch den Vorstand von ProSiebenSat.1
Berlusconi beherrscht jetzt auch den Vorstand von ProSiebenSat.1
Berlusconi beherrscht jetzt auch den Vorstand von ProSiebenSat.1
Von Joachim Herr, München
Der italienische Medienkonzern Media for Europe (MFE) greift durch. Nur etwa einen Monat nach der Übernahme der Dreiviertelmehrheit von ProSiebenSat.1 nimmt das von der Familie Berlusconi kontrollierte Unternehmen auch auf der höchsten Managementebene das Heft in die Hand. Alle drei Vorstände gehen. Marco Giordani (63), seit dem Jahr 2000 Finanzvorstand von MFE, ist von sofort an CEO des Fernseh- und Streamingkonzerns ProSiebenSat.1 in Unterföhring bei München. Giordani gilt als rechte Hand von Pier Silvio Berlusconi, dem Konzernchef von MFE. Dieser schicke nun seinen besten Mann nach München, heißt es auf MFE-Seite.
Der bisherige Chef Bert Habets (Jahrgang 1971) soll seinen Nachfolger bis Ende dieses Jahres beraten, „um einen nahtlosen Übergang sicherzustellen“, wie ProSiebenSat.1 am Dienstag nach dem Beschluss des Aufsichtsrats mitteilte. In dem Kontrollgremium lassen sich seit dem 9. Oktober sechs der neun Sitze MFE zuordnen – zwei mehr als zuvor.
Berater wird Interim-Finanzchef
Auch Finanzvorstand Martin Mildner (Jahrgang 1970) und der als COO fürs Operative, die Strategie und das Marketing verantwortliche Markus Breitenecker (56) verlassen das Unternehmen. Der Posten des COO wird im Vorstand nicht mehr besetzt. Neuer Finanzchef ist jetzt vorübergehend Bob Rajan (51). Er kommt vom Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal, das unter anderem auf Sanierungs- und Krisenmanagement spezialisiert ist. Rajan soll „vor allem den Reorganisationsprozess vorantreiben und die Profitabilität des Unternehmens steigern“, wie es in der Mitteilung von ProSiebenSat.1 heißt. Sein Wissen und seine Erfahrung kämen dem Unternehmen in der Transformation zugute. So könne es „sich bald wieder konsequent auf Wachstum zu konzentrieren“.
Die Veränderungen im Vorstand sind aus Sicht der neuen Führung „ein wichtiger Schritt in der Weiterentwicklung“ des Unternehmens, „um sich optimal an die veränderten Marktbedingungen anzupassen und die Weichen für nachhaltigen Unternehmenserfolg zu stellen“.
Nur der Zeitpunkt überrascht
Die Wechsel im Vorstand erfolgen wenig überraschend. MFE unterstreicht mit den schnellen Entscheidungen die Ambitionen für ProSiebenSat.1 und für das Konzept eines europäischen Fernseh- und Streaming-Verbunds – aufbauend auf dem bisherigen Geschäft in Italien und Spanien. MFE-Konzernchef Berlusconi erhofft sich davon ein Gegengewicht zu den US-amerikanischen Internet- und Medienkonzernen. ProSiebenSat.1 und die gesamte Fernsehbranche sind aufgrund des schwachen TV-Werbegeschäfts in einer schwierigen Phase. Umsätze und Ergebnisse sinken trotz des wachsenden Streaminggeschäfts. Für das erste Halbjahr 2025 wies ProSiebenSat.1 sogar einen Nettoverlust von 124 Mill. Euro aus. Vor einem Monat senkte das Unternehmen die Jahresprognose.
Breitenecker war seit April 2024 im Vorstand von ProSiebenSat.1. Die Verträge von Habets und Mildner wurden erst in diesem Jahr um jeweils drei Jahre verlängert: der von Habets im April, der von Mildner sogar erst Anfang September. Damals hieß es in der Medienbranche, MFE halte den Zeitpunkt der Entscheidung für ungünstig. Das war, bevor die Italiener die Mehrheit im Aufsichtsrat erlangten. Dessen Vorsitzende ist seit Mai 2025 die ehemalige Disney-Managerin Maria Kyriacou, die als unabhängig gilt. Dank der verlängerten Verträge sicherten sich Habets und Mildner höhere Abfindungen.
„Visionen für die Zukunft“
Anfang September, als die Dreiviertelmehrheit von MFE feststand, hatte Habets in einer Stellungnahme noch von „vielversprechendsten Möglichkeiten für eine tiefergehende Zusammenarbeit“ gesprochen. Nach seinen Vorstellungen sollten „unsere Visionen für die Zukunft aufeinander“ abgestimmt werden. Zu erwarten ist, dass es bald auch auf den Managementebenen unter dem Vorstand und in der gesamten Belegschaft Personalveränderungen im ProSiebenSat.1-Konzern geben wird.