BVB-Lenker Carsten Cramer will auch als Underdog laut bellen
BVB-Lenker Carsten Cramer will auch als Underdog laut bellen
Auf Borussia Dortmund wartet nach harten Pflichtaufgaben gewissermaßen die Kür. Der BVB hat bei der Klub-Weltmeisterschaft in der sommerlichen Hitze der USA vermeintlich leichtere Gegner wie den koreanischen Champion Ulsan HD, Südafrikas Meister Mamelodi Sundowns und den mexikanischen Vertreter Monterrey mitunter mühsam niedergerungen – im Viertelfinale wartet mit Real Madrid nun einer der Top-Favoriten auf den Turniersieg. Ähnlich befreit wie die in Schwarzgelb gekleideten Männer auf dem Platz kann nun auch Carsten Cramer aufspielen. Denn der Mitgeschäftsführer von Borussia Dortmund hat bereits einige zentrale Ziele der Reise in die USA erreicht.
Hohe Prämien eingespielt
Die FIFA schüttet bei der Klub-WM 525 Mill. Dollar als Startprämien und 475 Mill. Dollar leistungsbezogen aus, der BVB hat nach dem Einzug in die Runde der letzten Acht bereits mehr als 52 Mill. Dollar sicher. Wichtiger als die Gelder sind laut Cramer aber die Möglichkeiten, die das Turnier bietet, um den Bekanntheitsgrad der Marke zu steigern. Der Mitgeschäftsführer sieht die USA als zentralen Wachstumsmarkt, bleibt dabei aber Realist. Der gebürtige Münsteraner versteht, dass die Schwarzgelben und die Bundesliga nicht nur mit einer harten Konkurrenz durch glanzvollere Namen aus England und Spanien ringen, die überdies eine größere kulturelle Nähe zum US-Publikum haben, sondern auch im Wettbewerb mit den beliebten Sportarten American Football, Basketball, Baseball und Eishockey stehen.
Dass der Flaggschiffstore von Ausrüster Puma, mit dem der BVB die Partnerschaft gerade zu lukrativen Konditionen verlängert hat, auf der New Yorker Fifth Avenue kurz vor dem Start der Klub-WM ganz in Schwarzgelb eingedeckt war, wertet Cramer daher als besonders starkes Signal. Der Dortmunder Managing Director weiß dabei, wie wichtig das Image von Borussia Dortmund als Underdog aus einer alten Industrieregion für die Vermarktung gegenüber neuen Zielgruppen ist. Gerade deshalb sieht er auch die Partnerschaft mit dem Football-Franchise Pittsburgh Steelers, das nicht nur aufgrund seiner schwarz-goldenen Uniformen Parallelen zum BVB aufweist, als bedeutsam an.
Kein Leisetreter
Cramer, der kurz vor Weihnachten 57 Jahre alt wird, will die Bescheidenheit zwar zur Tugend machen, ein Leisetreter ist er aber nicht. Selbst Vertretern von Sponsoring- und Geschäftspartnern sagt er ungeschönt auf den Kopf zu, wenn er persönlich schlechte Erfahrungen mit ihren Dienstleistungen gemacht hat. Auch gegenüber Vertretern des US-Finanzsektors hat er gerne mal einen süffisanten Spruch auf Lager – spricht er auf Deutsch, enden seine Sätze häufig in den Worten „oder wat?“. Auch als Underdog laut zu bellen, ist schließlich nicht verboten.
Dabei mag der vierfache Vater, der regelmäßig in Verhandlungen um millionenschwere Sponsoring-Verträge involviert und beruflich mit Superstars in Kontakt ist, bodenständige Spieler am liebsten. Zugleich realisiert er, dass es für die Borussia zunehmend schwieriger geworden ist, Spieler wie den einstigen Meisterkeeper Roman Weidenfeller zu finden, die nahezu ihre gesamte Karriere über bei einem Club verbringen und die sie später noch als Markenbotschafter einbinden können. „Natürlich ist es manchmal frustrierend für die Fans, wenn wir wiederholt unsere besten Spieler verlieren, aber wir geben diese ja in aller Regel nicht kostenlos ab“, sagt Cramer. Die Devise „günstig einkaufen, teuer verkaufen“ ist zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells, das er und seine Vorstandskollegen vorantreiben.
Fußball als verbindendes Element
Die Förderung von Talenten mit Starpotenzial ist für Cramer, der auch der Dortmunder Fußballakademie vorsteht, Herzenssache. Bereits kurz nach seiner Schulzeit, als er seinen Zivildienst in einem „sozialen Brennpunkt“ absolvierte, bemerkte er die integrative Kraft des Fußballs. Heute engagiert er sich als Vorstand der BVB-Stiftung „Leuchte auf“ für soziale und kulturelle Angelegenhieten im Ruhrgebiet. Dabei ist der Mann, dessen Leben sich um Borussia Dortmund dreht, dem Münsterland noch immer stark verbunden. Bei Preußen Münster begann er noch vor dem Abschluss seines Jurastudiums seine Karriere als Marketingleiter und wurde später Geschäftsführer, nachdem er zuvor bereits als Presse- und Stadionsprecher für den Verein aktiv war.
Gerade letztgenannter Job bereitete ihm so viel Freude, dass er neben dem Hauptberuf noch als Hallensprecher für die Frauen-Volleyballer vom USC Münster und als Stadionsprecher für Borussia Mönchengladbach aktiv war. Cramer wechselte im Jahr 2000 zum Sportrechtevermarkter Ufa, bei dem er für den Hamburger SV und später für Borussia Dortmund zuständig war. Im Jahr 2010 kehrte er als Direktor für Vertrieb und Marketing zum BVB zurück und stieg 2018 zum Geschäftsführer auf – gerade mit der Expansion in den USA zeigt er nun, dass der Underdog BVB nicht nur laut bellen kann, sondern auch Biss hat.