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Die Luftfahrtbranche ist fest in irischer Hand

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 17.1.2020 Mit den Iren in der Luftfahrtbranche verhält es sich wie mit den Saarländern in der Bundesregierung: ein vergleichsweise kleines Land bekommt eine verhältnismäßig große öffentliche...

Die Luftfahrtbranche ist fest in irischer Hand

Von Lisa Schmelzer, FrankfurtMit den Iren in der Luftfahrtbranche verhält es sich wie mit den Saarländern in der Bundesregierung: ein vergleichsweise kleines Land bekommt eine verhältnismäßig große öffentliche Wahrnehmung, weil seine Landeskinder wichtige Positionen besetzen. Saarländer führen mit dem Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungsministerium Schlüsselressorts in Berlin, Iren führen weltweit große Fluglinien und dominieren die Flugzeugleasingbranche. Avolon und EmbraerWährend der Grund für die saarländische Dominanz in Berlin noch geklärt werden muss, hat er bei der irischen Vormachtstellung in der Aviation-Industrie einen Namen: Tony Ryan. Der 2007 verstorbene irische Geschäftsmann hat die Fluglinie Ryanair gegründet und die in den achtziger Jahren weltweit wichtigste Leasinggesellschaft Guinness Peat Aviation (GPA) aus der Taufe gehoben. Wer heute in der Leasingindustrie Rang und Namen hat, ist in der Regel in den achtziger und neunziger Jahren durch die Ryan-Schule gegangen. Das gilt beispielsweise für Dómhnal Slattery, den Gründer und CEO von Avolon, einer der derzeit führenden Flugzeugleasingfirmen. Er begann seine Karriere 1989 bei GPA und setzte sie beim Branchenunternehmen Gecas fort, das Großteile der GPA Anfang der neunziger Jahre nach einem missglückten Börsengang der Iren übernommen hat. 2010 gründete Slattery Avolon und holte sich Cinven, CVC Capital Partners, Oak Hill Capital Partners und den Investmentfonds von Singapur als Geldgeber an Bord, die mittlerweile von der chinesischen Bohai Leasing und der amerikanischen Orix abgelöst wurden. Ende 2019 betrieb die Flugzeugleasingfirma Avolon weltweit 525 Flugzeuge und gehört zu den Top 10 der Branche.Slatterys Bruder John, selbst beim brasilianischen Flugzeugbauer Embraer und damit ebenfalls in der Branche tätig, erzählte einmal, die Faszination für das Thema Fliegen habe ihn und seinen Bruder am irischen Flughafen Shannon gepackt. Dorthin begleiteten die Slatterys regelmäßig ihren Vater, den Inhaber eines Gärtnereibetriebs, der den Flughafen zu seiner Kundschaft zählte. “Du konntest das Kerosin riechen, und die Flugzeuge standen vor dir. Es gab die Passagiere, die mit riesigen Jumbojets von Pan Am kamen, und es war einfach nur aufregend. Diese Faszination habe ich nie vergessen, und es war immer mein Wunsch, in der Luftfahrt arbeiten zu können.” John Slattery war Chef des Zivilluftfahrtgeschäfts von Embraer und soll künftig das mit dem US-Flugzeugbauer Boeing in diesem Bereich vereinbarte Joint Venture führen.Die nette Geschichte von den Slattery-Kindern und ihren Ausflügen zum Flughafen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Faszination fürs Fliegen allein den Erfolg der Brüder nicht erklärt. John und Dómhnal Slattery werden von denen, die sie näher kennen, als knallharte Geschäftsleute mit viel Biss und wenig Geduld beschrieben. Auch der familieninterne Wettbewerb zwischen den beiden Brüdern dürfte ihren Ehrgeiz angestachelt haben. Sie beschwören ihre Verbundenheit mit der irischen Heimat, die Insel ist ihnen aber schon lange viel zu eng geworden.Das trifft sicher auch auf einen anderen erfolgreichen Iren zu. Ryanair-Chef Michael O’Leary, einer der einflussreichsten Airline-Manager Europas und Erfinder des europäischen Billigfluggeschäfts, verdankt seine Karriere ebenfalls dem Aviation-Veteran Tony Ryan. O’Leary freundete sich schon früh mit Cathal und Declan Ryan an, den Söhnen von Tony Ryan. 1988 wurde der ehemalige Wirtschaftsprüfer aufgrund seiner Kenntnisse im Rechnungswesen als Ryans persönlicher Berater eingestellt. Die 1985 gegründete Ryanair war damals stark defizitär, und O’Leary empfahl seinem Mentor, “die verdammte Fluggesellschaft zu schließen”. Dieser sicherte sich stattdessen die Unterstützung des irischen Staates, damit war die Fluglinie gerettet. In den neunziger Jahren kopierte Ryanair auf Betreiben von O’Leary das Billigflug-Geschäftsmodell der amerikanischen Southwest Airlines. 1993 zog sich Ryan zurück, O’Leary wurde sein Nachfolger als Chef der Fluglinie. Ryanair und EasyjetDer 58-Jährige hatte im vergangenen Sommer bekannt gegeben, sich von der Spitze der Fluggesellschaft zurückzuziehen, aber Chef der Gruppe – zu der neben Ryanair unter anderem Laudamotion gehört – bleiben zu wollen. Sein Nachfolger als Ryanair-CEO wird Eddie Wilson, ebenfalls ein Ire.Eine Zeit lang hatte ein anderer von der Grünen Insel stammender Manager als möglicher O’Leary-Nachfolger gegolten. Peter Bellew war 2018 nach zwei Jahren als CEO der Malaysia Airlines zu seinem alten Arbeitgeber nach Dublin zurückgekehrt, um die kniffligen Verhandlungen mit den Pilotengewerkschaften zu führen. Seine Rückkehr war in den irischen Medien als eine Art “nationale Pflicht” für “Irlands wichtigstes Unternehmen” beschrieben worden, die Bellew bei erfolgreichem Abschluss zum natürlichen Nachfolger des langjährigen Ryanair-Vorstandschefs machen würde. Daraus wurde nichts, Bellew kehrte Irland den Rücken und wechselte als COO zum wichtigsten Konkurrenten Easyjet. Mit der irisch-irischen Freundschaft war es damit auch vorbei, Ryanair versuchte, den Wechsel gerichtlich zu verhindern – und scheiterte mit einer Klage. IAG und QantasEbenfalls in Irland seine ersten Schritte in der Airline-Branche unternommen hat der scheidende Chef der Airline-Gruppe IAG, Willie Walsh. Der gebürtige Ire heuerte zunächst als Pilotenschüler beim ehemaligen Staatscarrier Aer Lingus an, wurde dort 2001 CEO und wechselte dann zum Konkurrenten British Airways. Dieser übernahm die spanischen Fluglinien Iberia und Vueling, woraus die Airline-Gruppe entstand, zu der mittlerweile auch Aer Lingus gehört. Walsh an der Spitze der IAG folgt der bisherige Iberia-Chef Luis Gallego. Zwischenzeitlich war in der Branche über andere Kandidaten für den IAG-Chefposten spekuliert worden, als möglicher Walsh-Nachfolger galt neben British-Airways-Chef Alex Cruz auch der langjährige CEO der australischen Fluglinie Qantas, Alan Joyce. Der 53-Jährige, der Qantas seit 2008 führt, kommt, wie könnte es anders sein, aus Irland.