Ehemalige große Privatbank

Familie Stern kehrt nach 86 Jahren an den Main zurück

86 Jahre nach der von den Nationalsozialisten erzwungenen Schließung und etwa 220 Jahre nach Gründung ihrer damaligen Privatbank kehrt die Familie Stern mit einer Assetmanagement-Boutique nach Frankfurt zurück.

Familie Stern kehrt nach 86 Jahren an den Main zurück

Familie Stern kehrt nach 86 Jahren an den Main zurück

Spross der Ex-Bankiersfamilie eröffnet in Frankfurt Büro seiner Assetmanagement-Boutique

Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand

Es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln: 86 Jahre nach der von den Nationalsozialisten erzwungenen Schließung und 220 Jahre nach der Gründung des traditionsreichen deutsch-jüdischen Bankhauses Jacob S.H. Stern kehrt die Familie Stern mit der Assetmanagement-Boutique J. Stern & Co. Ltd. an den Main zurück. Leiter des Deutschland-Geschäfts als Managing Director wird Andreas Krebs, langjähriger Managing Director und Partner des Vermögensverwalters Mandarine Gestion sowie ehrenamtlicher Schatzmeister des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche e.V.

Mit Frankfurt verbunden

Managing Partner Jérôme Stern verweist darauf, dass sich in der Main-Metropole noch heute viele Erinnerungen an die Familiengeschichte befinden, „sei es der Theodor-Stern-Kai oder die Theodor-Stern-Stiftung an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität“. Mit dem Aufbau der Niederlassung wolle man wieder zu einem „vertrauensvollen Partner für Investoren in Deutschland werden“. Beim Ausbau des Kundenbetreuungs- und Vertriebsteams baue man „auf der 220-jährigen Bankierstradition meiner Familie auf“.

Einst große Privatbank

J. Stern & Co. wurde 2012 von Jérôme Stern und Christopher Rossbach als Chief Investment Officer aus dem Family Office der Familie Stern heraus gegründet. Es ist eine partnerschaftlich organisierte Investment Boutique mit Hauptsitz in London und Niederlassungen in New York, Zürich und auf Malta. Der Schwerpunkt liegt auf Investitionen in globale Aktien, Emerging Market Corporate Debt und Multi-Asset-Lösungen. Jérôme Stern entstammt der Pariser Linie der Sterns und der dortigen Bank, die an ein Vorgängerinstitut der UBS verkauft wurde. Die Assets under Management betragen aktuell 2,5 Mrd. Euro. Kunden sind Family Offices, Stiftungen, institutionelle Investoren wie Pensionsfonds, aber auch Banken mit ihren Wealth-Management-Kunden.

Frühe Expansion ins Ausland

Auch wenn es weniger bekannt als die ebenfalls in Frankfurt gegründeten Bankhäuser Rothschild und Goldschmidt ist, war das 1805 gegründete Bankhaus Jacob S.H. Stern im 19. und frühen 20. Jahrhundert eine der größten Privatbanken Deutschlands. Wie die Rothschilds expandierten auch die Sterns schon früh ins Ausland, nach Paris und London.

Das Bankhaus, das aus einem Ende des 18. Jahrhunderts gegründeten Weinhaus entstand und nach und nach Finanzdienstleistungen anbot, beteiligte sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert an Emissionen vieler nationaler und internationaler Staatsanleihen, etwa für Portugal, Argentinien, das Osmanische Reich oder China. Es war an der umfangreichen Anleihe zur Finanzierung der französischen Kriegsentschädigungen an das Deutsche Reich nach dem Krieg von 1870/71 beteiligt. Der Spezialist für Wertpapier-Emissionen finanzierte zudem ein riesiges Infrastrukturprojekt in Portugal nach einem verheerenden Erdbeben. Außerdem war die Bank an der Gründung von Unternehmen wie der Metallgesellschaft oder diverser Eisenbahngesellschaften beteiligt.

Das Bankhaus Jacob S.H. Stern hatte einen Sitz im obersten Verwaltungs- und Aufsichtsorgan der Reichsbank, dem „Zentralausschuss“ und war Partner der Deutschen Bank bei ihrer Auslandsexpansion. Mit der Rückkehr an den Main knüpft die Familie Stern in gewisser Weise erneut ein Band, das 1939 gewaltsam zerrissen worden war.

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